Im Himmel ist kein Zimmer frei - kultur 47 - April 2008

Irdisches Vergnügen - Im Himmel ist kein Zimmer frei von Jean Stuart im Contra-Kreis

Prolog an der Himmelspforte: „I’m in Heaven…“ – na ja, eigentlich hat der ledige, saturierte Geschäftsmann Pierre Serval es nicht mal bis zur Lobby des Hotels jenseits aller Sterne geschafft. Obwohl es schon eine beachtliche Leistung war, auf der etwas zu flotten Fahrt in den Urlaub die finale Begegnung mit einem einsamen Baum zu arrangieren. Das Ergebnis sieht ziemlich derangiert aus, und anständig per Kreditkarte angemeldet ist Pierre im Himmel auch nicht. Was möglicherweise daran liegt, dass die EDV im Reich der Seligen eine Generalsanierung braucht. Der heilige Petrus muss dem Neuankömmling also nach sorgfältiger Identitätskontrolle mitteilen: „Im Himmel ist kein Zimmer frei“.
Mit der posthumen Uraufführung der gleichnamigen Komödie von Jean Stuart († 1989) – deutsche Fassung des französischen Originaltextes von Horst Leonhard – beschert der Contra-Kreis dem Bonner Publikum ein quietschlebendiges Wunder: Pierre saust von der Überholspur ins Paradies postwendend zurück auf die Erde. Was eine nicht zu verachtende Chance wäre, wenn sein Kompagnon André Marsan nicht gerade einen Last-Minute-Billigurlaub mit der hübschen Sophie Lantier in Pierres garantiert sturmfreier Pariser Villa geplant hätte: Seitensprung all-inclusive auf Wolke Sieben mit Blick auf die Autobahn. Nicht gerade das, was Sophie sich erträumt hat. Zumindest hat sie klare Grundsätze: Kein Verhältnis mit einem verheirateten Mann, weshalb André sich als Junggeselle Pierre ausgibt und sich in dessen Salon herumlümmelt, wenn der Hausherr vorzeitig – „braungebrannt wie ein Aspirin“ – von seinem grenzwertigen Ausflug ins traute Heim zurückplumpst.
Aus den notwendig folgenden Verwirrungen macht der versierte Komödienregisseur Manfred Langner einen himmlischen Spaß. Dass Sophie (reizend als intelligente, selbstbewuss­te junge Frau mit etwas zu großem Herzen für solvente Verehrer: Viola Wedekind) mit ihrem ästhetischen Profiblick einiges in der Wohnung umarrangiert, stört nicht sonderlich im – wie immer pfiffig variablen – Bühnenbild von Pit Fischer. Dass sie sich ausgerechnet André als neuen Lover gewählt hat, kann jedoch nur die Folge einer zeitweiligen Umnachtung sein. Der Typ (als minderbemittelter, narzisstischer Beau: Udo Thies) sieht zwar verdammt gut aus, hat aber unter seiner eitel geschwungenen Haarpracht zwischen Bett und Börse nicht viel zu bieten. Dass Pierre (glänzend als liebenswürdiger Trottel mit himmlischer Geduld und hellsichtigen Augenblicken: Jacques Breuer) diesem Möchtegern-Casanova seine Hausschlüssel und Geschäftsbücher anvertraut hat, disqualifiziert ihn als Manager; bekanntlich wird man durch solch kleine geschäftliche Fehlentscheidungen jedoch nicht gleich arm.
Schon gar nicht, wenn eine kurzsichtige, sehr nah am Wasser gebaute Furie wie Ines Marsan (herrlich hysterisch: Arzu Ermen) hereinschneit und wegen der völlig zu Recht vermuteten vielfachen Untreue ihres Gatten mindes­tens hundert Tempotaschentücher rekordverdächtig mit Tränen füllt, bevor sie unter Hinterlassung einiger Kleidungsstücke (Kostüme: Kara Schutte) als eheliche Rachegöttin Pierres Schlafzimmer stürmt.
Ein rosa BH am Morgen kommt dessen Raumpflegerin Maria (Michaela Kametz als temperamentvolles Fegefeuer) so spanisch vor, dass sie statt Blumengießen lieber mal das ganze Haus oder frei flottierende Kalender leporellomäßig inspiziert. Die Fernbedienung fürs elektronische Kaminfeuer könnte ja was mit dem Gartenschlauch haben… Egal, welche Sicherungen im höchst irdischen Getümmel zwischen den immer zur rechten Zeit offenen oder geschlossenen Türen durchbrennen – „Sodom und Gomera“ lassen die bibelfeste Putzfrau zur Salzsäule erstarren.
Auf dem strapazierten Sofa seines soeben an seiner Schlüsselgewalt vorbei geschrammten Namensvetters Pierre gemütlich macht es sich der alte Apostel Petrus, der während der Reparatur seines Computers einen Urlaub auf der Erde genießen darf. Jochen Stern findet in dieser Glanzrolle trotz seiner nur für den Hausherrn (und natürlich das Publikum) sprachlos sichtbaren Gegenwart offensichtlich Gefallen an der konkret anwesenden Weiblichkeit, lugt mit ironischem Augenzwinkern in ansehnliche Dekolletees und lässt Amors Pfeile gnadenlos schwirren, wie sie wollen. Wer einen sicheren Job im Himmel besitzt, hat angesichts der erotischen Irrläufer auf Erden gut lachen.
Bevor Pierre noch mal an die Himmelstür klopft, wäre eine Suite mit Sophie und Palmen auf halb neun eine gute Idee. Man muss ja nicht immer gleich seinen teuren Porsche um eine Platane wickeln, um das Paradies kurz vor zwölf neu zu erfinden. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 Std., eine Pause
Im Programm bis: 01.06.08


Mittwoch, 15.10.2008

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