Cyrano - kultur 64 - März 2010

Poetischer Fechtkünstler: Cyrano im Euro Theater Central

„Denn beim letzten Verse stech ich“ – wer erinnert sich nicht an das tollkühne Fechtduell, bei dem Cyrano beim Kampf gleich auch noch eine Ballade dichtet. Vor zwanzig Jahren spielte Gérard Depardieu in einem schönen Kos­tümfilm den legendären dichtenden Haudegen und sprach dabei Edmond Rostands gereimte Alexandriner, dass es eine Lust war. Wenn nur die Nase nicht gewesen wäre, dieses etwas zu groß geratene Riechorgan, das den geistreichen Helden geradezu traumatisiert. Ohne die berühmte Nase wäre die Literatur freilich um einen ihrer schönsten Helden und eine der rührendsten Liebesgeschichten ärmer. Wer würde sich noch an die schöne Roxane und ihren geliebten hübschen Christian erinnern, wenn Cyrano ihm nicht seine Dichtkunst geliehen hätte und damit auch seine tiefen Empfindungen?
Edmond Rostand hat sie in seinem 1897 uraufgeführten, ungemein populär gewordenen Drama Cyrano de Bergerac unsterblich gemacht. Das flämische Autorenduo Jo Roets und Greet Vissers hat das Werk von einer Menge poetischer Selbstverliebtheit entschlackt und auf wenige Figuren reduziert – ihre (durchaus auch für jugendliche Zuschauer gedachte) Bearbeitung erzählt einfach eine gute Geschichte. Von einem sympathischen, tapferen Mann, der eine bezaubernde Frau innig liebte, aber sich wegen eines kleinen körperlichen Mangels nicht traute. Hundert Feinde in die Flucht zu schlagen, ist kein Problem für diesen Draufgänger. Nur sein entflammtes Herz lässt ihn kapitulieren. Karlheinz Angermeyer (Regie und Ausstattung) inszeniert das im Euro Theater mit feinem Humor und bleibt dabei trotz des flotten Tempos sehr dicht am französischen Original. Ein paar weiße Gardinen signalisieren die wechselnden Schauplätze und immer auch die Bühnensituation. Denn Cyrano spielt ja Theater, wenn er Christian die Liebesgedichte souffliert, mit denen er selbst Roxanes Herz gewinnt. Er weiß, dass der schlichte Junge sein Geschöpf ist und nur mit seinen Worten Erfolg haben kann. Und Christian merkt bald, dass er ohne seinen virtuosen Autor kaum eine Chance hätte. Die beiden brauchen sich und spielen Roxane etwas vor. In ihren schönen historischen Kostümen (Astrid Borst) bleiben alle drei immer auch bloße Darsteller von Gefühlen.
Exzellent und mit raffinierten psychologischen Nuancen spielt Johannes K. Prill Cyranos exis­tenziellen Widerspruch. Die hässliche Nase wird bei ihm immer mehr zum Vorwand für die Angst vor der realen Liebe, die in der poetischen Idealisierung eigentlich viel besser aufgehoben ist als in einer tatsächlichen Beziehung. Der attraktive Nebenbuhler ist letztlich ungefährlich, weil es in seiner Macht steht, ihn zu entlarven. Cyrano genießt heimlich Christians Triumphe und ist damit auf eine Weise glücklich, die er mit der Befriedigung seiner erotischen Sehnsucht wohl nie erreicht hätte. Lars Walter verkörpert mit viel Witz etliche männliche Rollen im Spiel um die Lust und muss auch schon mal einen Stich in den Allerwertesten verkraften. Vor allem ist er der junge Christian, der sich zwar traut, dem es aber in entscheidenden Momenten an den eigenen verführerischen Wörtern gebricht. Sein Heldentod auf dem Schlachtfeld ist jedoch ein guter Grund für Roxane, im Kloster der vollkommenen Liebe nachzutrauern, die reinster Betrug war. Sandra Klaas spielt die Verwandlung der koketten, lebenslustigen jungen Dame im feuerroten Kleid zur keuschen Nonne ganz entzü­ckend. Als einzige hat sie wirklich geliebt. Bewusst zwar nur den Mann, dessen wundervolle Worte ihre Einzigartigkeit bestätigten, tatsächlich aber den Mann, der aller Schönheit die Sprache borgte.
Ausgerechnet der unbesiegbare Cy­rano fällt zufällig irgendwelchen Busch­räubern zum Opfer, um nach jahrelanger Entsagung endlich die Maske fallen zu lassen und seine wahre Dichterseele in den Armen der selig enttäuschten Roxane auszuhauchen. Klar, dass er auch noch bestechende Verse fürs eigene Ableben findet.
Eine absurde Tragikomödie, deren schmerzhafte Sentimentalität die Inszenierung nicht verschweigt, aber mit bittersüßem spielerischem Witz ständig in Frage stellt. Wirklich sehenswert! E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 1½ Std., keine Pause
Im Programm bis: ???
Nächste Vorstellungen: 22.-25.03.10

Samstag, 05.02.2011

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