Hotel Kairo - kultur 46 - April 2008

Beklemmend komische Mauerschau - Hotel Kairo von Lothar Kittstein im Theater im Ballsaal

Der in Bonn lebende Autor Lothar Kittstein (*1970) gehört derzeit zu den höchst produktiven jüngeren Dramatikern. Sein Stück Letzte Tage wurde vor einem Jahr in der Regie von Frank Heuel im Theater im Ballsaal uraufgeführt. Im Februar kam als Auftragswerk vom Stadttheater Trier sein Stück Tokio heraus. Zwei Uraufführungen sind für den Mai dieses Jahres in Köln und Bochum angekündigt. Mit dem fringe ensemble arbeitete Kittstein zudem mehrfach beim „Club der Utopisten“ in der Werkstatt des Theaters Bonn zusammen.
Hotel Kairo entstand als „work-in-progress“. Fest standen am Anfang die drei Schauspieler und ein Szenario. Die Gattin eines hochrangigen deutschen Politikers (Bettina Marugg) wartet, während ihr Mann den ägyptischen Außenminister trifft, mit ihrer persönlichen Stylistin Maya (Laila Nielsen) und dem Bodyguard Paul (Severin von Hoensbroech) in einem Kairoer Hotel auf den Beginn des Damenprogramms. Die Frau des ägyptischen Innenministers kommt jedoch nicht, was die Stimmung in dem eisgekühlten Hotelzimmer langsam aufheizt. Eine irrationale Bedrohung liegt in der Luft, das Geregelte löst sich langsam auf, die Sprache der drei Figuren gerät außer Kontrolle.
In der Inszenierung von Frank Heuel und dem Bühnenbild von Eduardo Seru trennt eine Mauer die Zuschauer von dem Hotelzimmer. Direkt sichtbar ist nur Paul, der entweder mit der Fernbedienung der Klimaanlage oder diversen Telefonen kämpft. Maya plappert, und die namenlose Politi­kergattin sorgt sich um ihr Aussehen, ihre Charity-Jobs und die politisch korrekte Präsentation Deutschlands im islamischen Ausland. Die beiden Frauen erscheinen zumeist nur als Spiegelungen auf den Projektionsflächen am Bühnenhimmel. Dieses Spiel mit Realitätsfiktionen ist überraschend witzig, weil es genau die Wahrnehmungsverschiebungen in der Unsicherheitszone fremder Kulturen deutlich macht. Die Diplomatin wider Willen bewahrt im grauen Hosenanzug eiserne Haltung, auch wenn sie am Kulturprogramm zwischen Pharaonengräbern zu ersticken droht. Schönheitsprofi Maya liest im verbotenen Koran und träumt von Wundern in Lourdes. Paul schwärmt von den Beinen einer ägyptischen Schauspielerin, während er die SMS seiner katholischen Ex-Frau abwimmelt. Die Angst vor dem allgegenwärtigen Terror lässt die Charakter­mas­ken zerbrechen. Die Mauer fällt nicht, und die Zeit bleibt stehen: Es ist immer kurz vor Elf.
Die Situation des vergeblichen Wartens in einem geschlossenen Raum ist ein geradezu klassisches Theatermodell, das Hotel dafür ein ebenso klassischer Ort. Hotel Kairo ist eine Komödie über die individuellen Erfahrungen in einer gleichzeitig immer näher zusammenwachsenden und auseinanderdriftenden Welt. Im Hotel spielt das fringe ensemble vorläufig weiter: Ende März geht die Reise in die Alpen zur Wiederaufnahme von Horvàths Zur schönen Aussicht; im Mai ist wieder ‚Lost in Translation’ am Nil angesagt. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 80 Min., keine Pause
Im Programm bis: ???
Nächste Vorstellung: Erst wieder im Mai

Donnerstag, 17.11.2011

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