Das Bildnis des Dorian Gray (Theater Die Pathologie) - kultur 82 - Januar 2012

Das Bildnis des Dorian Gray nach Oscar Wilde im Theater „Die Pathologie“: Die Sehnsucht nach der ewigen Jugend

Alterslose Schönheit verspricht uns die Kosmetik- und Chirurgiewerbung tagtäglich. Äußerlich jung müssen wir bleiben, um gesellschaftlich nicht abgemeldet zu werden. Per Computersimulation geht das heute sehr viel einfacher als 1890. In jenem Jahr präsentierte der irische Dichter und Dandy Oscar Wilde, der jedes geschliffene Bonmot deutlich höher schätzte als einen konventionellen Lebensstil, der Welt seinen „Dorian Gray“.
In der heutigen Version ist das Bildnis dieser reizenden Kunstfigur digitalisiert auf dem Laptop des Gesellschaftsfotografen Basil, im Original ein Maler.
Dorian Gray ist bestechend schön, finanziell unabhängig, leidlich gebildet und vor allem eins: vollkommen geistlos und zur Amoralität prädestiniert. So sieht es zumindest der von Dorians Abbild faszinierte Lord Harry, ein zynischer Lebemann.
Im Theater die Pathologie hat der türkischstämmige Kölner Regisseur Aydin Isik den berühmten Roman Das Bildnis des Dorian Gray in einer eigenen Textfassung geschickt auf ein 90-minütiges Drama reduziert, die schwüle Fin-de-Siècle-Stimmung auf die kühle Dauerparty-Temperatur des 21.Jahrhunderts heruntergefahren und ein Kammerspiel um die Objektivierung eines Menschen inszeniert, der als Subjekt überfordert ist.
Der junge Sven Djurovic spielt den naiven Narziss Dorian, der sich in sein Bild verliebt und diesem heimlich seine alternde Erscheinung überlässt, um im Scheinleben für immer jung und schön zu bleiben. Julian Baboi ist der teuflisch feinsinnige Verführer Harry, der Wildes elegante Sottisen lässig zelebriert. „Es ist nicht gut für die Moral, jemanden schlecht spielen zu sehen“, bemerkt er angesichts der per Video zugespielten kleinen Schauspielerin, in die Dorian sich unsterblich verknallt. Die Affäre bleibt flüchtig, das verzweifelte Mädchen bringt sich um. Dorian hechelt sich durch die Londoner Szene, während sein regelmäßig als Projektion auftauchendes Porträt immer widerwärtiger wird. Der intellektuell sanft unterbelichtete Romantiker Basil (Tobias Novo) hat seine liebe Not mit dem idealen Kunstwerk, zu dem er seinen Freund Dorian stilisiert hat. Der desillusionierte Wüstling greift schnöde zum Messer und schneidet seinem Bildnis-Schöpfer die Kehle durch.
Harry betrachtet den Mord als schöne Kunst und das banale Leben als Weltkomödie, in der die Dummheit ästhetische Narrenfreiheit genießt und es echt nicht schade ist, wenn ein eitler Typ wie Dorian Gray kalkuliert aus dem Ruder läuft und seine gemeine Fratze nicht mehr aushält. Das böse Spiel um kunstvoll gefälschte Denkfiguren läuft in der Pathologie auf solider Hochspannung mit viel Sprachwitz und spielerischem Elan. Reizvoll für literarische Feinschmecker und Liebhaber ziemlich schmerzlos eingeschwärzten Humors. Der Beifall bei der ausverkauften Premiere mit in Bonn neuen Gesichtern (alle drei Schauspieler aus der Kölner freien Szene sind hier zum ersten Mal präsent) war entsprechend.

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Spieldauer ca.. 90 Minuten, keine Pause.
Die nächsten Termine:
13.01.12 // 14.01.12 //
8.02.12 // 9.02.12



Dienstag, 03.12.2013

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