Ein Seestern im Garten - kultur 36 - April 2007

Kleine Kostbarkeit kurz vor dem Zaun - Ein Seestern im Garten von Peter Limberg im Contra Kreis Theater

Eine große Geschichte ist's nun wirklich nicht, die Peter Limberg sich da ausgedacht hat, nur eine himmlisch verrückte. Es passiert auch nicht richtig viel, weil ein Seestern im Garten ja außer verstaubten Bio-Lehrbüchern allenfalls noch Geologen auf die Klimaforschungs-Palme bringt. Oder männliche Klimakterien auf die Mikrowelle. Oder erfolgreiche Architekten zum Entwurf einer Eisdiele, die wie das Modell einer überdimensionalen Hüpfburg aussieht.
Noch mal von vorne: Dass sich ein Mann auf der Schwelle vom besten zum allerbesten Alter in ein süßes, junges, blondes, weibliches Ding verknallt und vom grauen Herbst unversehens in einen späten grünen Frühling rutscht, ist die reichlich normale Lebensabschnitts-Arabeske, die mit einem ordentlich gefüllten Konto (Mann riestert sich halt mit Steuerberatern vom Methusalemkomplex zum verbiesterten Lebensabend) glatt dem Testosteronspiegel die heimlichen Prostatakrebsgänge und das Muschelkuscheln auf den Malediven erspart. Der erfolgreiche Architekt Richard Tannefelder (mit herrlich eisiger Selbstironie und heiterer Frische im Dschungel der Küchenphilosophie: Hans-Jürgen Bäumler) weiß das genau, genießt die neue Freiheit von Herz, Leber und Galle als Hobby-Gastrokritiker in vollen Zügen (Nö, nicht DB-mäßig, sondern mit EU-Kat und neuestem Feinstaubfilter - man gönnt sich ja sonst nix). Seine Gattin hat nach einem lesbischen Coming-Out das Weite gesucht, was nach langen Ehejahren eine verdammt gute Idee war und Richards kulinarische Ausflüge befördert. Dass seine Freunde Fred (zwischen liebenswürdig besorgtem Trottel und ewig alles missverstehendem Schlaukopf: René Toussaint) und Thea (witzig zwischen Kopfnuss und Fitness-Studio: Kerstin Thielemann) als zuverlässig verheiratete Nullnummern dem glücklichen alten Junggesellen die neue Freiheit vermiesen und überall ein Haar in der Suppe suchen, ist verdammt nervig. Glücklicherweise gibt es Silvia Rovanetti (entzückend mit skurrilem Wortwitz und einer Bühnenpräsenz, die selbst verknöcherte Admirale davon überzeugen könnte, dass unter ihren wehrhaften Kreuzern zarte Seepferdchen schlummern: Tessa Höchtl), Relikt einer feuchtfröhlichen Party mit Omakomplex und Nestbauinstinkt. Haare in der Suppe sind ihr ungefähr so schnuppe wie vergrätete Fische oder vergrillte Lammkoteletts. Zumal sie mit einem Typen, der weder in der Küche noch im Bett sterneverdächtig ist, ein Restaurant aufgemacht hat, um das nach Richards Kritik alle nicht selbstmordwilligen Esser einen weiten Bogen machen sollten. Ok, der Text ist noch nicht veröffentlicht, und wenn der Koch die Ratten bändigt, werden die Mäuse auf dem Tisch tanzen. Oder Silvia wird ihre Oma Elsa anrufen, was garantiert so unwahrscheinlich ist, wie ein Seestern im sorgsam gepflegten Steingarten und so sicher wie die fabelhafte Grille, die der fleißigen Ameise den Bausparvertrag vernaschte.
Das Schönste an der Sache ist nämlich: Silvia ist eine verkappte Dichterin, behauptet mit entwaffnender Ehrlichkeit das Blaue vom Himmel und den Rest der Welt ins Löschprogramm. Dass sie Thea ein aufbauendes Fitnessprogramm verpasst und Freds nicht übertrieben beweglichen Geist zum Denken bringt, wird nur noch davon übertroffen, dass sie Richard zum Träumen animiert. Dass sie vor dem Happy End noch mal die Flatter macht, gehört dramaturgisch zum Repertoire der retardierenden Momente und ist sachlich unerheblich. Pit Fischers Bühnenbild sieht so aus wie immer, die Kostüme von Anja Saafan könnten auf jedem Cat-Walk bestehen. Aus dem extrem dünnen Stoff eine lebendige Komödie gewebt hat der Regisseur Horst Johanning. Um den Finger wickeln kann jeder; um aus Silvia und Richard ein schräges Paar zu knüpfen, braucht's eine Menge Fingerspitzengefühl. Und den irrlichternden pointierten Sprachwitz, der die aktuellen Frühlingsgefühle als bis zum Mai haltbare Aprilscherze entlarvt. Bestens geeignet für alle, die vor der ordentlichen Torschlusspanik noch was zu lachen brauchen. E.E.-K.

Mittwoch, 03.10.2007

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