Siddhartha - kultur 95 - April 2013

Siddhartha nach Hermann Hesse im Euro Theater Central: Nachdenkliche Lebensreise

„Ein Glanzstück an Weisheit“ nannte der brasilianische Schriftsteller Paolo Coelho die Erzählung ­Siddhartha des 1946 mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichneten deutschen Dichters Hermann Hesse (1877 – 1962). Dessen 1922 erschienene Indische Dichtung, die in den 1960er Jahren zum weltweiten Kultbuch der Nachkriegs-Generation avancierte, ist trotz der persönlichen Erfahrungen des Autors mit der buddhistischen Philosophie ein sehr europäisches Buch. Auch ein Protest gegen den missionarischen Eifer seiner Eltern, die lange in Indien tätig waren. Hesses Siddhartha ist ein poetischer Entwicklungsroman, in dem die lineare Erzählweise durch Dialoge und Reflexionen aufgebrochen wird. Es geht weniger um die Bedeutung einer individuellen Existenz als um die zentralen Lebensfragen. Warum und wozu sind wir? Welchen Weg gehen wir wohin?
Heike Bänsch inszeniert im Euro Theater in einer eigenen Bühnenfassung von Hesses Erzählung den Lebensweg des Siddhartha Gautama Buddha, ohne ihn metaphysisch aufzuladen. Sie spielt auch all die Figuren, die dem historischen Gründer der buddhistischen Lehre begegnen und ihn zur Erkenntnis leiten. Sie ist der gute Freund Gowinda, der Asket Samana, die Liebe und Glück verheißende Kamala und der Fährmann Vasudeva. Andreas Kunz spielt den Brahmanensohn Siddhartha, der durch Armut und Reichtum, Erfolg und Sorge zur Erleuchtung wandert. Es ist ein Kreislauf vom unbewussten Nichts zum als wahr erkannten Nichts, von der Negation zur Bejahung des Schicksals, vom jugendlichen Aufbruch zur universalen Harmonie.
Dafür hat die Komponistin Rena Meyer-Weil eine poetische Sound-Collage geschaffen, die wunderbar vielschichtig alle Erlebnisse begleitet. Ein Meisterwerk ist die Ausstattung von Marijke Brinkhoff. Einfache Plastik-Wasserflaschen werden zu Landschaften, Leuchtkörpern, Schmuck­stücken und Spielmaterial. Das weckt leise Anmutungen eines Glasperlenspiels, das Hesse jedoch erst etliche Jahre später begann. Aus weggeworfenem Müll entsteht hier und jetzt ein Kreislauf, der ebenso viel zu tun hat mit den spirituellen Denkfiguren ferner Kontinente wie mit dem brüchigen Fortschrittsglauben der rational geprägten westlichen Zivilisation. Es geht nicht ums Verstehen, sondern ums Begreifen in dieser ästhetisch subtilen Theaterarbeit, die deshalb ein echtes Glanzstück ist. E.E.-K.

Spieldauer ca. 1 ¾ Stunden, keine Pause
Die nächsten Termine:
11.04. / 12.04. / 27.04. / 28.04.13

Dienstag, 01.10.2013

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