Die Abenteuer des Huckleberry Finn - kultur 80 - November 2011

Die Abenteuer des Huckleberry Finn von Mark Twain im Jungen Theater: Spannende Flucht auf dem Mississippi

Ernest Hemingway nannte das Werk den „besten amerikanischen Roman aller Zeiten“. Dem wird jeder zustimmen, der Mark Twains Die Abenteuer des Huckleberry Finn im Jungen Theater Bonn gesehen hat. Die neue Bühnenfassung von Moritz Seibert und dem im Juli mit 21 Jahren verstorbenen Timo Rüggeberg stellt die Freundschaft zwischen dem jungen Huck und dem schwarzen Sklaven Jim ins Zentrum, führt den Rassismus ad absurdum und bleibt bei aller Ernsthaftigkeit doch so heiter, wie der begnadete Humorist und scharfzüngige Ironiker Mark Twain die Geschichte angelegt hat. Es gibt viel zu lachen in Seiberts spannender Inszenierung, für die er auch selbst das Bühnenbild mit viel US-Südstaaten-Flair, reizender Kleinstadt-Idylle und beweglichem Mississippi-Floß entworfen hat.
„Erziehung ist organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend“, hat Mark Twain einst bemerkt. Huckleberry Finn, genannt Huck, pfiffig verkörpert von Carlo Hajek bzw. Valentin Rocke, gilt als schwer erziehbar und haust lieber in einer Tonne als im gepflegten Anwesen der Witwe Douglas (Giselheid Hoensch). Die nimmt sich seiner an, weil Hucks versoffener Vater (schön fies: Dimetrio-Giovanni Rupp) dazu nicht in der Lage ist. Eigentlich ist er nur hinter Hucks Geld her, das von Richter Thatcher (Carlo Himmel) freilich gut verwahrt wird.
Immerhin gelingt es dem cleveren Huck, seinem brutalen Vater zu entwischen und seine Mitbürger im Glauben zu wiegen, er sei tot. Nur sein gewitzter Freund Tom Sawyer (Leon Döhner / Ricardo Rausch) weiß, wie quicklebendig Huck noch ist. Was zu einem ungemein lustigen Geschlechtertausch (zauberhafte historische Kostüme: Brigitte Winter) führt, bei dem Lausbub Tom am Ende den Hosenboden versohlt kriegt. Huck erfährt bei seinem Inkognito-Besuch leider, dass der geflohene schwarze Sklave Jim als sein Mörder steckbrieflich gesucht wird. Der „Nigger“ im Dienst der frommen Witwe hat nämlich einen Marktwert von 800 Dollar und sollte deshalb von Frau und Kind getrennt auf einer weit entfernten Farm schuften. Großartig verkörpert der aus Nigeria stammende, seit zwei Jahrzehnten an zahlreichen großen deutschen Bühnen arbeitende Jubril Sulaimon diesen warmherzigen Mann, der auf der gemeinsamen Flucht für Huck eine Art Vaterfigur wird. Jims melancholische Gesänge aus der afrikanischen Heimat berühren zutiefst.
Bis er am Ende rechtmäßiges Eigentum von Huck wird und mit seiner Familie nach Norden aufbrechen kann, wo die Sklaverei abgeschafft ist, fließt aber noch eine Menge Wasser den Mississippi herunter. Lachtränen fließen angesichts der beiden Hochstapler, die sich als Schauspieler ausgeben und ihre Kunst mit der Balkonszene aus Romeo und Julia ausgiebig unter Beweis stellen. Jan Hermann und Andreas Lachnit aus dem JTB-Profi-Ensemble sind ein irrwitzig komisches Gespann. Dass sie’s am Sarg des alten Peter Wilks arg bunt treiben und beinahe dessen verwaiste Nichten um ihr Erbe bringen, gehört wirklich bestraft. Richtig gut lügen kann Huck nämlich auch, wenn’s der Wahrheit und Menschlichkeit dient.
Ein braves Mitglied des örtlichen Kirchenchors wird er jedoch wohl nie. Dessen Proben zu Händels Messias gehören zu den musikalischen Glanzstücken der Aufführung. Das riesige Ensemble mit einem Dutzend erwachsener Schauspieler und acht aus der Nachwuchs-Talentschmiede des JTB jeweils doppelt besetzten Rollen verbreitet bis zum Ende der turbulenten Abenteuergeschichte eine Energie geladene Spiellust, bei der echte Gefühle nicht zu kurz kommen.
Der Abschied von dem freigekauften Jim und dessen Familie wird Huck so schwer fallen wie dem begeisterten Publikum, das die fabelhafte Inszenierung bei der Premiere zu Recht mit Ovationen belohnte. E.E.-K.
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Spieldauer ca. 2¼ Stunden inkl. einer Pause.
Die nächsten Termine: 25.11. // 26.11. // 30.12. // 31.12.
Die Aufführung ist sehr geeignet für Zuschauer ab 8 Jahren.

Donnerstag, 16.02.2012

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