Prix Pantheon: Gala des Sonderpreisträgers im Pantheon (27.04.11) - kultur 77 - Juni 2011

Normalerweise wird der mit 4.000 € dotierte Prix-Pantheon-Sonderpreis „Reif und Bekloppt” an einen langjährigen Meister des Kabaretts verliehen. Ein solcher ist der freiberufliche Übersetzer aus dem Englischen, Rezitator und Gelegenheits-Schauspieler

Normalerweise wird der mit 4.000 € dotierte Prix-Pantheon-Sonderpreis „Reif und Bekloppt” an einen langjährigen Meister des Kabaretts verliehen. Ein solcher ist der freiberufliche Übersetzer aus dem Englischen, Rezitator und Gelegenheits-Schauspieler Harry Rowohlt (*1945 in Hamburg) nicht, und doch sind seine Auftritte meisterhaft unterhaltsam.
In der Begründung der Jury zur Preisverleihung an Harry Rowohlt heißt es: „Harry Rowohlt (…) besitzt neben seiner grandiosen Bühnenpräsenz eine Stimme, deren tiefer Sound sich vom Ohr bis in die Magengegend windet und dort für ein angenehmes Kribbeln sorgt. (…) Im Fall von Harry Rowohlt handelt es sich um einen Charakterkopf, der sich mit allen anlegt, die ihm dumm kommen, einer, der keine Kompromisse macht und der auf die Frage, ob der Erfolg sein Leben verändert habe, antwortet: ‚Nein, ich war auch schon vorher ein arrogantes Arschloch.‘”

„Gala-Abend des Sonderpreisträgers” scheint zum Auftreten Rowohlts mit mächtigem Bart und Büchern im Stoffbeutel nicht recht zu passen. Sein Umgang mit der Veranstaltung ist authentisch: „Ich habe ein bisschen von meinem Preisgeld bereits heute direkt verprasst, in dem ich mir einen nagelneuen Angebersakko in der Poststraße gekauft habe, damit das Geld teilweise in Bonn bleibt.”
Auch mit elegantem Sakko ist es ein unprätentiöser Erzählabend, ein Potpourri aus Lesung und Weltbetrachtung.

Rowohlt liest zunächst aus einer seiner Übersetzungen, der englischen Kinderbuchserie „Mr Gum”. Hierbei handelt es sich um einen Mann in einem verkommenen Haus, der Kinder und Maiskolben hasst, dessen Garten aber perfekt gepflegt ist: weil sonst eine Fee ihn in seiner Badewanne mit der Pfanne geklatscht hätte... Rowohlt liest unaufgeregt, bedächtig, lässt Phantasiewelten entstehen. „Action” scheint ihm in sympathischer Weise fremd zu sein.
Nebenbei legt er zu bewältigende Umstände des Übersetzens dar: dass z.B. bei Übersetzungen vom Englischen ins Deutsche der Text um 14-38% länger wird. Daher müsse man, insbesondere beim Film, natürlich verknappen und verfälschen. Das Wie ist die Kunst. Ebenso beim Übersetzen von eigentlich Unübersetzbarem, eine Kunst, die Harry Rowohlt ebenfalls meisterhaft beherrscht.
Seiner Missbilligung dummer Fragen und überflüssigen Geschwätzes gibt Rowohlt Ausdruck, aber mit einer Art der feinen Ironie, die ihn als über vielen Dingen stehend zeigt. So steht er mit einer Zeitschrift, die sich als „Das moderne Nachrichtenmagazin” bezeichnet, nicht auf Kriegsfuß, sondern erwähnt die Tatsache lediglich und singt genüßlich ein uraltes Rumba-Lied, einfach weil darin das Wort „modern” vorkommt.
Nein, Rowohlt will wohl kein Kabarettist sein, aber die gesellschaftlichen Alltagsphänomene liefern nun mal jede Menge Material für ­Anekdoten – wenn man genau hinschaut und -hört, und das tut Rowohlt gern. So stellt er zum Thema Rauchverbot fest: „Während man früher mühsam ermitteln musste, wer die Netten und die Klugen sind, geht man heute vor die Tür.”
Das genaue Hinhören weiß er auch als Stimmenimitator zu nutzen: „Ich muss mich mit Literatur beschäftigen” im Reich-Ranicki-Sound, dann in Rowohlt-trocken: „Was die Literatur wohl ansonsten anstellen würde.”
Lange hätte der Abend noch weitergehen können, doch er endete gelungen mit einer Lesung von „Knolls Katzen”, einem Kurzdrama von Jan Neumann, Träger des Förderpreises für Komische Literatur des Kasseler Literaturpreises 2010.

Für alle, die nicht dabei sein konnten: Am 7.6. findet die große Prix-Pantheon-Gala im Brü­ckenforum statt, bei der Rowohlt der Preis feierlich mit einer Laudatio überreicht wird. Auch die Gewinner des Nachwuchswettbewerbs und weitere prominente Gäste werden zum festlichen Programm beitragen. J.S.

Donnerstag, 19.01.2012

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