Der brave Soldat Schwejk - kultur 92 - Januar 2013

Der brave Soldat Schwejk von Jaroslav Hasek im Kleinen Theater: Schelmenstück

„Um Sechse nach’m Krieg“ werden sie sich alle wieder in ihrer Stammkneipe „Zum Kelch“ treffen und ein Bier auf den kurzen Frieden trinken. Das hat der Schwejk Josef, von Beruf Hundehändler (zugeben: er dichtet selbst geklauten Papp-Straßenkötern noch üppige Stammbäume an) in Prag, so ausgemacht. Und jeder weiß, dass er seine Versprechen einhält. Ein „behördlicher Idiot“ ist er, selbst fürs Irrenhaus zu dumm und so vollkommen unbedarft, dass seine Einfalt jede Obrigkeit zur Weißglut bringt. Erfunden hat ihn der tschechische Schriftsteller Jaroslav Hasek (1883 – 1923) bereits 1912; zu einer der berühmtesten Figuren der böhmischen Literatur wurde der brave Soldat Schwejk durch seinen 1921 und 1923 in zwei Bänden erschienenen satirischen Schelmen­roman. Zur unsterblichen Bühnen­existenz verhalf dem Schwejk 1927 in Berlin kein geringerer als der deutsche Regisseur Erwin Piscator unter Mitwirkung von Bertolt Brecht, der später selbst mit Schweyk im Zweiten Weltkrieg dem schlitzohrigen Helden ein eigenes Drama widmete.
Im Kleinen Theater verkörpert der gebürtige Wiener Peter Josch einen Schwejk, der eigentlich schon über das Alter hinaus ist, wo man noch zum Militärdienst eingezogen wird. Er spielt den naiv listigen Tollpatsch jedoch mit lebenserfahrener Selbstironie und souveräner Komik. Er ist mit unverschämtem Augenzwinkern der schlitzohrige Anarchist, der durch puren Gehorsam gegenüber allen Befehlen den alltäglichen Wahnsinn entlarvt. Was gewisse Mengen von Branntwein ebenso voraussetzt wie feurigen Patriotismus und einen gesunden Überlebensinstinkt angesichts von Gewehren und Galgenstri­cken, bevor man als fettes Kanonenfutter ins Gras beißt. Josch hat den großösterreichischen Grantelton ebenso drauf wie die kleinen Spitzen gegen die Kriegshetzer und Menschenvernichter.
Die charmante Inszenierung von Klaus Gmeiner, der seit 1985 das von Oscar Fritz Schuh gegründete Salzburger Straßentheater leitet, lässt die Schwejk-Abenteuer im populären Komödienstil sehr authentisch Revue passieren. Das alte Prag evoziert das wandlungsfähige Bühnenbild von Frank Joseph.
Die vergangene Kakaninen-Romantik beschwört Leo Braune als eleganter Conferencier, bevor er in die Rolle des ebenso lebenslustigen wie melancholischen Oberleutnants Lukasch einsteigt, dem der Schwejk beim Kartenspiel mit einem pleite gegangenen Vorgesetzten als nicht ganz stubenreiner „Putzfleck“ zugefallen ist. Braune verkörpert perfekt diesen nervösen Karriere-Offizier, der im Schutz seiner makellosen Uniform (Kostüme: Kara Schutte) noch den Helden markiert und schon die folgenden Katastrophen ahnt. Er wird leider nicht mehr dabei sein, wenn Frau Palivec (Heike Schmidt, auch in allen anderen weiblichen Rollen eine reizende Erscheinung) im „U Kalicha“ wieder ihre Gäste bedienen kann. Das vorm „Fliegenschiss“ gerettete alte Kaiserbild, das Schwejk eine merkwürdige soldatische Existenz bescherte, kann sie getrost den Motten überlassen.
Wie Peter Hohberger als versoffener Feldkurator und guter Hirte für die Rettung des schwejkschen Schafskopfs sorgt, ist ein groteskes Kabinettstück. Der Bäcker Wodischka (Robert Kolar) bewährt sich u. a. auch als strenger Wachtmeister. Als fieser Spitzel und übler Nationalist hat der famose Hanno Dinger große Auftritte.
Einen Orden für seine freundliche Gelassenheit und widerständige Intelligenz hat dieser brave „Schwejk“ redlich verdient. Den vergnügten Beifall nach zwei heiter harmlosen Stunden auch. E.E.-K.

War leider nur bis zum 21.12.12 auf dem Spielplan.

Donnerstag, 28.02.2013

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