Eine Weihnachtsgeschichte (A Christmas Carol) - kultur 92 - Januar 2013

Eine Weihnachtsgeschichte (A Christmas Carol) von Charles Dickens in den Kammerspielen: Wunderbare Verwandlung

Die Zeit läuft unerbittlich. Eine große Uhr im Hintergrund mahnt dazu, sie zu nutzen. Der alte Ebenezer Scrooge weiß nur, dass Zeit Geld ist. Der Rest ist „Humbug“. Menschenfreundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Spenden für die Armen – alles „Humbug“. Ganz besonders Weihnachten mit Geschenken und fröhlichen Feiern lässt den verbitterten Geizkragen fast aus der Haut fahren. Stefan Preiss ist eine Idealbesetzung für diese Figur und spielt den Scrooge mit all der grimmigen Bosheit, die der englische Dichter Charles Dickens (1812 – 1870) ihm in seiner berühmten Weihnachtsgeschichte A Christmas Carol auf den Leib geschrieben hat. Bis ihm die Geister den Spiegel vorhalten und ihn dann zuschauen lassen bei seinem verpass­ten Leben.
Der Regisseur Barry L. Goldman hat die 1843 erschienene Erzählung neu für die Bühne bearbeitet und in den Kammerspielen mit allem Theaterzauber in Szene gesetzt. Im fantasievollen Bühnenbild von Gesine Kuhn wird das alte London lebendig. Schnee rieselt leise über dunkle Straßen und festlich erleuchtete Stuben, Scrooges kaltes Geschäftskontor wird zum düsteren Ort nächtlicher Gespenstervisionen. Da liegt er mit Schlafmütze im Bett und erlebt ein heilsames Traumtheater, wenn der Geist seines verstorbenen Geschäftspartners Marley gruselig auftaucht. Grégoire Gros spielt auch den sympathischen Büro-Angestellten Bob Cratchit, der seine große Familie (ein zauberhaftes Puppenspiel!) mit seinem schmalen Gehalt tapfer über Wasser hält und um die Gesundheit seines kleinen Sohnes bangt. Dennis Pörtner verkörpert u.a. Scrooges lebenslustigen Neffen Fred und den jungen Ebenezer, der einst seine geliebte Belle herzlos aufgab, weil er zu Gefühlen nicht fähig war. Johanna Wieking ist das unglü­ck­liche Mädchen und entzückt besonders als Geist der zukünftigen Weihnacht, der ganz in Weiß mit Lichterkranz auf dem blonden Haar in der Luft zu radeln scheint.
An den ständig wechselnden, prachtvollen Kostümen (Christine Haller) hat das Theater bei diesem Familienstück gewiss nicht gespart. Schwarze Heilsarmee-Kleider, bürgerliche Schottenkaro-Roben und rauschender Rokokoglanz lassen die Zuschaueraugen strahlen. Maria Ammann spielt neben diversen anderen Rollen Freds charmante Gattin, die der alte Hagestolz Ebenezer nie sehen wollte, und den Geist der vergangenen Weihnacht, der ihm schließlich die Augen öffnet. Kornelia Lüdorff ist als Mrs. Großherzig, Mrs. Fezziwig und Mrs.Cratchit schlicht hinreißend.
Als Geist der gegenwärtigen Weihnacht und als Erzähler Dickens sorgt Andreas Bittl für reizvolle Pointen. Singen können sie alle – mal keck und mal anrührend. Die Musik dazu spielt Tobias Cosler, der am Klavier witzig manche Aussage unterstreicht und auch das Ticken der Uhr hörbar macht.
Viel Zeit hat der alte Ebenezer nämlich nicht mehr, bevor an seinem Sarg niemand eine Träne vergießt. Er wird aber begreifen, dass er mit seinem Geld bis dahin noch viel Gutes tun und ein glücklicher Mensch werden kann. Weil die Theatergeister spielerisch sein Herz eroberten und ihm zeigten, dass Egoismus nichts nützt. Der neue, großzügige Scrooge wird viele Freunde haben, weil er die anderen mit ihren Sorgen respektiert.
Das ist die weltliche Botschaft der liebevoll inszenierten, unsterblichen „Weihnachtsgeschichte“. Ohne poetisch-himmlische Geister funktioniert die Verwandlung eines unerschütterlichen Weltverächters in einen seligen Lebensgenießer allerdings kaum. Ein wunderschöner Wintertraum für alle Generationen! Unbedingt sehenswert, solange die reiche Stadt Bonn ihren kleinen und großen Bewohnern noch den ‚Luxus‘ hochwertiger, opulent ausgestatteter Produktionen gönnt. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 Stunden inkl. einer Pause
Weitere Termine:
27.12. / 30.12.12 / 5.01. / 20.01. / 27.01.13
Geeignet für Zuschauer ab 7 Jahren - Die Aufführungen sind schon jetzt überwiegend ausverkauft.

Donnerstag, 28.02.2013

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