Re-Play - „The Swan“ - kultur 91 - Dezember 2012

Re-Play - „The Swan“ im Theater im Ballsaal: Ballett-Ikone revidiert

Mehr als 4000 Mal soll Anna Pavlova den „Sterbenden Schwan“ getanzt haben, das berühmteste Solo der Ballettgeschichte. Immer wieder diese wie Flügel ängstlich flatternden Arme und dieses Niedersinken nach dem letzten vergeblichen Flugversuch. Dem Prinzip der Wiederholung widmet die Compagnie CocoonDance ihr neues Stück­ ­Re-­Play – ‚The Swan’, das nach der Premiere in der Schweiz nun seine Bonner Premiere im Theater im Ballsaal erlebte.
„Can you repeat“, fragt eine der Frauen, die in leuchtend bunten Kimonos und hohen Plateauschuhen am Bühnenrand sitzen, leicht blasiert und gelangweilt, gelegentlich eine Zigarette rauchend. Das künstlich Private des Gruppenbildes erscheint ebenso ritualisiert wie die Tanzfiguren auf der Bühne. Es gibt keinen definierten Raum und keine Zentralperspektive in der Choreographie von Rafaële Giovanola. Die fünf Tänzerinnen (Katrin Banse, Fa-Hsuan Chen, Laure Dupont, Weronika Pelczynska und Imma Rubio) aus fünf verschiedenen Ländern variieren ganz individuell ein ständig wiederholtes Bewegungsvokabular. Jede entwickelt – barfuß in Jeans und T-Shirt – eine persönliche Körpersprache und eigene Temperamente. Der mechanischen Reproduzierbarkeit des immer Gleichen begegnen sie mit einem lebendigen Polylog der Leiber, der sie aus der Endlosschleife befreit, aber die performativen Grenzen des Prozesses mitreflektiert.
Kopieren, fragmentieren, rekonstruieren sind auch die Prinzipien der Komposition von Jörg Ritzenhoff, die die Vorstellung nicht begleitet, sondern selbst Akteur wird. Aus dem weißen Rauschen löst sich leise das berühmte Cello-Schwanenmotiv von Saint-Saens. Die Musik spielt mit dem Notenmaterial ebenso wie mit der Materialität der zugrunde liegenden alten Schellackplatte, kratzt die Tonspuren des gut zweiminütigen Originalstückes auf und schafft einen offenen Zeitrahmen für die knapp einstündige tänzerische Erprobung. Wie ein gestrandetes Raumschiff steht im Hintergrund ein Klangobjekt, dessen elektronische Loops und Tonverzerrungen die Tänzerinnen als ihre eigenen DJs live bedienen.
Bis zur Schmerzgrenze verhallt dabei der helle Todesschrei des schwarzen Schwans. Ein Echo der großen Erzählungen, die längst im digitalen Mediengestrüpp hausen, aber als eigenwillig repetierte Denkfigur kreativ weiterwirken. Denn auf der Bühne bleibt jede Probe-Wiederholung durch die unmittelbare Kommunikation unwiederholbar. Insofern ist diese CocoonDance-Produktion ein paradoxer, höchst spannend formulierter narrativer Essay über die sinnlich-poetische Kraft des Tanztheaters. E. E.-K.

Spieldauer ca. 1 Stunde, keine Pause.
Vorerst nicht mehr auf dem Spielplan.

Donnerstag, 14.02.2013

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