Sei lieb zu meiner Frau - kultur 91 - Dezember 2012

"Sei lieb zu meiner Frau" von René Heinersdorff im Contra-Kreis-Theater: Perfektes Quartett

„Zu einer glücklichen Ehe gehören meistens mehr als zwei Personen“, wusste schon Oscar Wilde. Der Comic-Zeichner Oscar, glücklich verheiratet mit Sabrina und Vater eines kleinen Sohnes, weiß das auch. Und hat ein „kleines virtuelles Zuhause“ eingerichtet für seine Gattin und den charmanten Karl. Es läuft im realen Zuhause einfach besser, wenn zärtliche Mails den Hormonspiegel anheben. Leider gibt es da gerade deutliche Mängel. Sei lieb zu meiner Frau, lautet deshalb seine Forderung. So heißt auch die Komödie von René Heinersdorff, die in der Regie und im Bühnenbild des Autors im Contra-Kreis-Theater ihre zu Recht umjubelte Bonner Premiere feierte.
Es beginnt rasant mit einem echten Theatercoup: Da stürmt einer auf dem Cityroller unter Umgehung der strengen Vorzimmerdame ins Büro des mächtigen Verlagschefs. Der Eindringling kennt sich im Privatleben des Herrn erstaunlich gut aus, was einen Erpressungsversuch nahe legt. Mehr außereheliche Romantik verlangt jedoch der unverschämte Netz-Nerd-Typ, den Heinersdorff selbst verkörpert, was entschieden zur Habenseite der Aufführung gehört. Die Einlösung seines Anspruchs bleibt stets auf dem pfiffigen Intelligenzniveau, das gelungene Boulevardstücke auszeichnet. Deren bekannte Mechanismen bringt das brillante Ensemble auf solche Hochtouren, dass alle gattungsüblichen Zufälle mit schönster Selbstverständlichkeit passieren und das flotte Pointen-Ping-Pong im gemischten Doppel ganz ohne Doping unter der Gürtellinie auskommt.
Zugegeben: Ziemlich Testosteron-gesteuert scheint der kultivierte, attraktive Best-Ager Karl schon zu sein. Der exzellente Bühnenschauspieler Hugo Erwin Balder gibt seiner Figur jenseits aller Tutti-Frutti-TV-Schlüpfrigkeiten genau die selbstironische lässige Eleganz des geschäftlich Erfolgreichen mit den kleinen Defiziten im Gefühlshaushalt, die nur noch durch hochkarätige klassische Konzerte oder charmante erotische Nebentöne auszugleichen sind. Die entzückende Sabrina z.B. passt gut in Karls Beuteschema, während Gattin Mona eher als solide Vermögenssub­stanz verbucht ist und deshalb durchaus eigenwillig die Gefühlsbilanz korrigiert. Ein junger Mann ohne Vergangenheit wäre ein echtes Zukunftspotenzial im Rahmen der grassierenden Infantilisierung der Marktmechanismen. Wenn man sich außer Sinfonien mit Spitzenorchestern schon nichts gönnt, ist mehr Weißwein am Mittelmeer angesagt.
Wie Yvonne Burbach als liebenswürdige Sabrina und Madeleine Niesche als Ammersee-frustrierte Mona die steuerfreundlichen Ausflüge nach Marrakesch mit Hilfe der Reisebüro-Kauffrau Doris kurzerhand nach Istanbul umbuchen, beweist weibliche Spitzenkunst beim Hotelbettentanz. Begeistertes Stöhnen beim Anblick der schönsten Skyline der Welt inklusive. Während die Herren im Bademantel (Kostüme: Anja Saafan) noch über Balkons turnen und beim Muezzin-Gebetsruf zumindest den gleichen geographischen Breitengrad behaupten, haben die Damen längst einen Wissens-Vorsprung, der nur noch durch witzige Überholmanöver auf die Zielgerade bei der sportlichen Disziplin Seitensprung zu bringen ist. Der Unterhaltungsfaktor lauert dabei so elegant in den parallelen komödiantischen Boxen-Stopps, dass männliche Egos durch weibliche Solidarität ordentlich ihren Business-Class-Wert behaupten dürfen. Die entscheidende Klasse in deren künstlichem Universum sind sowieso die schlauen Frauen, die sich um Quoten wenig scheren. Ihnen gehört die Pole-Position in dieser brillanten Boulevard-Produktion auf Formel-Eins-Tempo. E.E.-K.


Spieldauer ca. 2 Stunden inkl. einer Pause

Weitere Termine:
Täglich außer montags und 23.12.
bis zum 13.01.2013

Donnerstag, 14.02.2013

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