Der Mann, der sich nicht traut - kultur 71 - Dezember 2010

Heiratsangst mit Hindernissen: Der Mann, der sich nicht traut im Contra-Kreis-Theater

Am Ende gibt’s einen echten Jägerauflauf. Wobei diverse Jägerlein noch unterwegs sind. Trauen kann sich der Standesbeamte Wolfgang Jäger naturgemäß nicht. Dabei ist er so beliebt, dass manche regelmäßig wieder kommen. Sie können das Heiraten einfach nicht lassen, obwohl einmal nun wirklich reicht. Seit seiner Scheidung ist Wolfgang allein erziehender Vater und hat wirklich alles getan, um seinen inzwischen erwachsenen Sohn davon zu überzeugen, dass die Ehe ein völlig überflüssiges Relikt der bürgerlichen Gesellschaft ist. Leider vergeblich…
Es geht also bald ziemlich turbulent zu in Curth Flatows 1973 uraufgeführtem Boulevard-Klassiker Der Mann, der sich nicht traut. Im Contra-Kreis-Theater hat Regisseur Jürgen Wölffer das Stück frisch aufpoliert und entfacht ein flottes Pointengewitter, in dem die frechen Bonmots prasseln wie der sintflutartige Regen, der an einem Dienstagabend den zerknittertern Wolfgang mit der hübschen Boutiquen-Besitzerin Julia Goertz auf einer feuchtfröhlichen Hochzeitsgesellschaft in Robertinos Lokal landen lässt. Dabei hasst er die italienische Küche mindestens so sehr wie die Ehe – insbesondere „Pollo al cacciatore“ (zu Deutsch „Hühnchen nach Jägerart“), Leibgericht seiner Ex Sonja (als elegante Zicke: ­Chris­­tine Kättner, die derzeit auch im Euro Theater in Madame de Sade zu sehen ist), die gerade an einem mexikanischen Strand mit Palme im Arm ihre zweite Scheidung in Angriff nimmt.
Die hübsch sichtbar enervierenden Telefonate gehören ebenso auf die Habenseite der flotten Inszenierung wie die kessen Kostüme (Umstandsmode inklusive) von Anja Saafan. Ebenso wie das witzige Hochzeitstorten-Bühnenbild von Thomas Pfau, das mit wenigen Handgriffen schnelle Verwandlungen ermöglicht. Film- und Fernsehstar Jacques Breuer als Wolfgang Jäger hat das Objekt seines Abscheus also stets im Blick. Immer wenn er was zusammengetraut hat, nimmt sich sein Magen das zu Herzen, was die Pharmaindustrie fördert und die Lachmuskeln des Publikums trainiert. Daheim mutiert der brave Beziehungsverwalter und hypochondrische Männerversteher zum postpubertären Rock-Oldie ­(„I can get no Satisfaction“) und gönnt sich für den Hormonhaushalt jeden Dienstag Lamm. Fräulein Lamm, dienstlich seine entzückend naive pummelige Sekretärin, außerdienstlich als „Lämmchen“ das Verhältnis von „Wölfchen“. Wenn Simone Pfennig hinter ihrer Brille schäfchensanft ihr „Lamm“ ins Diensttelefon haucht, bleibt kein Auge trocken. Auch nicht, wenn sie den Filets nachheult, die ihr Wolfgang an einem Dienstagabend schnöde vergisst.
Wegen Julia Goertz (kokett: Viola Wedekind – privat seit 2008 mit ihrem Bühnenpartner Jacques Breuer verheiratet), der lebenslustigen jungen Tante von Wolfgangs hoffnungsvoller Schwiegertochter Gaby (süß: Judith Wilhelmy, frisch von der Alfterer Alanus-Hochschule), die ihren sanft sich rundenden Bauch so „megageil“ findet wie fast alles andere. Bei Wolfgangs Sohnemann Ullrich (als stinkbürgerliches Gewächs von Wolfgangs unbürgerlicher Bemutterung: der junge David Adlhoch) ­hat’s in der diensttäglich sturmfreien Bude nämlich gefunkt, auch wenn sein innig geliebter Papa ein Baby notorisch nicht für einen Ehegrund hält. Julia findet Heiraten auch nur mäßig prickelnd, zumal sie gerade locker liiert ist mit dem ziemlich glücklich verheirateten amerikanischen Piloten Teddy, dessen Flugplan immer dienstags eine Landung in Bonn vorsieht. Was auch insofern ganz praktisch ist, als Julias Wohnung und Geschäft direkt in der Einflugschneise liegen.
Und direkt neben dem Restaurant des charmanten Robertino (sternverdächtig: Frances­co Russo, der auch den Kaugummi bewehrten Teddy verkörpert), der angesichts von Julias und Wolfgangs spontanem Italienausflug sein Faible für zartes Lamm entdeckt. Sie trauen sich alle in dieser glänzend gespielten, höchst produktiven Komödie, in der die Jäger irgendwann diskret das Feld dem Samen sammelnden Matriarchat überlassen. Bevölkerungsschwund ist hier von gestern. Ein Spaß, der jede Familienministerin in einen solchen Glücks­taumel versetzen könnte wie das ani­mierte Publikum.
E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2½ Std., eine Pause
Im Programm bis: 23.01.11
Nächste Vorstellungen: tägl. außer montags

Montag, 21.03.2011

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