Tratsch im Treppenhaus - kultur 70 - November 2010

Hellhörige Nachbarschaft: Tratsch im Treppenhaus im Kleinen Theater

Das kleinbürgerliche Mietshaus des Schlachtermeisters Tramsen könnte überall stehen, auch wenn Florian Battermann, Leiter der Braunschweiger Komödie am Altstadtmarkt, den vor 50 Jahren in Flensburg uraufgeführten Tratsch im Treppenhaus neu bearbeitet und für das Kleine Theater mit ein wenig Lokalkolorit zwischen Poppelsdorf und Meckenheim versehen hat. Die vier weißlackierten Türen im hübschen Einheitsbühnenbild von Ausstatter Horst Neumann sind erwartungsgemäß ein handlungstragendes Element. Dass sich immer jemand mehr als nötig dafür interessiert, was hinter den Wohnungstüren der lieben Nachbarn passiert, gehört zur allgemeinen Lebenserfahrung.
Eine Seniorin wie Meta Boldt hat freilich Seltenheitswert, vor allem wenn sie von einer Erzkomödiantin verkörpert wird wie Renate Bopp. Frau Boldt, die zwar nur ab und zu die Miete bezahlt und stattdessen mit ihrem Gatten die Beamtenpension auf der „Aida“ verjubelt, saust behände über die Stufen, klingelt nervtötend an den Wohnungstüren und macht sich ihren Reim auf alle vermuteten Ungereimtheiten. Sie lauscht und plaudert, lügt und intrigiert mit einer solch naiven Raffinesse und Unverschämtheit, dass die anderen diesem Hausfriedensdrachen nur noch die Tür vor der Spürnase zuknallen können.
Christa Beaussencourt als selbstbewuss­te Hanne Knoop, die sich das Geld für die Miete als Putzfrau im Autohaus Seefeldt verdient, ist nicht auf den Mund gefallen und hat das Herz auf dem rechten Fleck. Ihr heimlicher Untermieter entpuppt sich schnell als entzü­ckende junge Frau. Ines Rosenholm spielt die pfiffige Silke Seefeldt, vernachlässigtes Töchterchen von Frau Knoops Chef und bald das Objekt des Begehrens aller männlichen Mieter. Das hübsche Mädchen verfügt neben einem hellen Verstand über das, was man heute ‚Sozialkompetenz’ nennt.
Der junge Markus Brummer (sympathisch: Andreas Werth), frustrierter Sohn eines wohlhabenden Autohausbesitzers und frisch einquartiert bei seinem Onkel, fängt sofort Feuer. Der Steuerbeamte a. D. und passionierte Kaninchenzüchter Ewald Brummer (Georg Troeger) mutiert bei Silkes Anblick vom rechthaberischen Miesepeter flugs zum durchgeknallten Altrocker mit alberner Sonnenbrille und glitzerndem T-Shirt. Hauswart Tramsen (feist komisch: Wolfgang Finck) versucht mit Rosen und blassrosa Wurst sein Glück.
Zur Konfliktlösung trägt der große „Karnickelball“ (die Hasenöhrchen-Eintrittskarten zu diesem ultimativen Provinz-Event sind echt niedlich) im Rheinhotel Dreesen entschieden bei. Der Unternehmensfusion von Brummer und Seefeldt steht nach dem verrückten nächtlichen Show-Down nichts mehr im Weg. In einem „ehrenwerten Haus“, wie es in den 1970er Jahren Udo Jürgens besang, wird aber wohl immer eine einsame alte Tratschtante wie Meta Boldt lauern. Leidlich komisch. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 Std., eine Pause
Im Programm bis: täglich bis 26.10.10

Montag, 21.03.2011

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