Koxkox und Kikequetzel - kultur 69 - Oktober 2010

Philosophische Farce: Koxkox und Kikequetzel in der Pathologie

Zugegeben, die 1769 in Wielands Beyträgen zur geheimen Geschichte der Menschheit erschienene Mexikanische Geschichte gehört nicht zu den bekanntesten Werken des großen Aufklärungsdichters. Durchaus bekannt erscheint freilich die Geschichte vom verirrten Kometen, der vor undenklichen Zeiten die Erde heimsuchte, was zu einer ungeheuren Überschwemmung bzw. Sintflut führte. Der junge Koxkox entkam der Katastrophe und rettete sich auf eine einsame Insel. Was folgte, entnimmt Wieland für seine Erzählung zur Naturgeschichte des sittlichen Menschen dem mexikanischen Philosophen Tlantlaquakapatli, dessen Name ebenso unaussprechlich ist wie seine Existenz zweifelhaft. Was jedoch ziemlich egal ist, denn das Vergnügen an Wielands kleinem Meisterwerk liegt in der Sprache und den funkelnden Spitzen gegen die zeitgenössische Literatur, Wissenschaft und Moral. Wobei der idealistischen Sittlichkeit die natürliche Unsittlichkeit eine treue Gefährtin ist, weshalb Thomas Franke seine Inszenierung auch gleich mit einer Freigabe „ab 18“ versehen hat. Was wiederum dem satirischen Ton des Textes entspricht, den er zusammen mit der jungen Schauspielerin Inga Eick­mann (frisch examiniert an der Alanus-Hochschule) auf die kleine Bühne des Theaters Die Pathologie gebracht hat. Koxkox wuchs also erkenntnisfrei und glücklich (er wusste ja nicht, was Glück bedeutet) auf seiner paradiesischen Insel heran. Begleitet von dem Papagei Kikequetzel, der bald so gut mexikanisch sprach, dass schöne Dialoge möglich waren. Zumal das Tier naturgemäß nichts anderes sagen konnte als sein Herr.
Dessen Freude war groß, als er eines Tages ein ihm ähnliches Wesen traf, das perfekt zu ihm passte und das er in Ermangelung anderer Namen auch Kikequetzel nannte. Zahlreiche wohlgeratene Kinder (mit hörbarem Vergnügen produziert) waren die Folge.
Doch die unschuldige Seligkeit hatte ein Ende, als die schöne Kikequetzel bei einem Ausflug auf Tlaquatzin stieß, der ihr noch reizvoller erschien als der geliebte Koxkox. Und so kamen zwangsläufig Unzufriedenheit und Gewalt ins Inselparadies. Die zärtlichen Familienbande lösten sich auf. Die Triebe regierten. Zurück blieb eine Horde von „zur bloßen Thierheit“ herabgesunkenen Geschöpfen.
Die beiden Schauspieler lesen und spielen die traurige Geschichte vom Sündenfall herrlich komisch. Einiges wird mit Hilfe von Barbiepuppen illustriert, immer wieder kommen witzig eingesetzte Materialien ins Spiel. Und von dem großen Früchteteller, den Thomas Franke freundlich dem Publikum während der Vorstellung anbietet, darf man getrost naschen. Die Zerstörung der naiven, reinen Idylle ist ohnehin nicht mehr rückgängig zu machen. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 Std., eine Pause
Im Programm wieder 2011

Dienstag, 15.02.2011

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