Beatles an Bord - kultur 69 - Oktober 2010

Tollkühne Mädels in fliegender Kiste: Beatles an Bord im Contra-Kreis-Theater

Wenn Sie noch nie mit „Jetbaguette“ geflogen sind, wird’s Zeit. Es könnte zwar „A Hard Day’s Night“ werden. Aber eins ist sicher: Was abhebt, kommt auch wieder runter. Notfalls mit einem „Yellow Submarine“. Ga­rantiert ist, dass Sie angesichts des Billigflieger-Preiskampfs weder mit himmlischen Baguettes noch mit dem beliebten Tomatensaft rechnen können. Bei den alkoholischen Getränken hat der Pilot schon zugeschlagen, was aber nur daran liegt, dass der Sprittank ein Loch hat. Was schon mal vorkommt, wenn eine russische Maschine jahrelang im Museum lagerte. Immerhin ist sie deutlich jünger als der Pilot, der sein Alter seit einigen Jahren mit 80 angibt, längst keine Lizenz mehr hat, aber das Cockpit noch wiedererkannte. Im Gegensatz zu den Flugrouten nach Paris, was beinahe zu einer Notwasserung auf dem Bodensee führt. Über den Wolken ist die Freiheit grenzenlos, und mit den äußerst charmanten Flugbegleiterinnen Babette, Jeanette und Raclette kann gar nichts schief gehen. Eine „Brüschlandung in Tannenbüsch“ ist sowieso ausgeschlossen, weil Jeannette dort was mit „ganz süße Zwillingsmänner“ hat und sich nicht sicher ist, mit welchem. Wobei der entzückende französische Akzent der drei Damen in himmelblauer Uniform (Kostüme: Beate Sauter) auch die Frage nach „schwül“ oder „schwul“ aufwirft. Für den liebenswürdigen Steward Maurice spielt das keine Rolle mehr, denn er tritt zweifellos seine letzte Reise an. Verteilt auf mehrere Gepäckfächer leider, was die drei zu einem schmachtenden „I Want to Hold Your Hand“ animiert.
Der rote Faden der reichlich chaotischen „Mystery Tour“ sind die Songs der berühmtesten Pop-Band aller Zeiten. Vor genau 50 Jahren traten die Beatles aus Liverpool zum ersten Mal in Hamburg auf. Die „Fab Four“ an Bord geholt hat der in Spanien aufgewachsene Schauspieler (derzeit engagiert am Staatstheater Kassel) und Autor Enrique Keil, der auch selbst Regie geführt hat bei dem musikalischen Spaß im Contra-Kreis-Theater. Das Flugzeug stilecht (bei der rosa Wandverkleidung greift man gern zur Sauerstoffmaske) ausgestattet hat Bühnenbildnerin Viola Hülswitt. Das größte Vergnügen auf der munteren Reise sind die neuen Arrangements der bekannten Hits. Unter den Händen des genialen Theatermusikers Stephan Ohm wird „Help“ zur großen Opernarie, „I Need your Love, Babe“ klingt wie „Je t’aime, moi non plus“, und „Yesterday“ hört sich überhaupt nicht nach gestern an. Etwa 30 Lieder der Beatles hat die singende und tanzende Crew im Gepäck. Die drei kessen Mädels meistern damit jede heikle Situation, obwohl sie mit sich selbst schon genug zu tun haben. Elisabeth Ebner ist die kokette blonde Jeanette mit allerhand Affären im Kopf. Annette Mayer spielt die rothaarige Chefstewardess, die neben ihrer knallharten Tüchtigkeit noch ein paar Geheimnisse mit sich rumträgt. Geradezu tollkühn bewegt sich die quirlige Silke Muriel Fischer als vollschlanke dunkelhaarige Flugbegleiterinnenauszubildende – kurz „Flubi-Azubi“ – Raclette durch alle Turbulenzen. Den Namen trägt sie in ihrem grauenhaft schlecht sitzenden Kostüm leider nicht umsonst und bekommt von den eleganten Kolleginnen deshalb auch ständig ihr Fett weg. Ein running gag sind deren eigenwillige, sehr französische Auslegungen deutscher Redensarten. Kein Käse sind trotzdem ihre strahlende „Lucy in the Sky“ und der anrührende „Fool on the Hill“. Dass Jeanette gelegentlich auf dem Schoß eines Passagiers landet und die strenge Babette bei der Einhaltung der Bordregeln schon mal handgreiflich wird, ist verzeihlich. Und immer noch besser, als Notrutschen zu testen, wenn dem Piloten die Luft ausgeht. Glücklicherweise behält Raclette einen klaren Kopf. In dem arg gehänselten Pummelchen stecken nämlich ungeahnte Fähigkeiten. Die Maschine wird also nach einigen Umwegen Paris erreichen und ziemlich sicher für immer dort bleiben.
Vorher sollte man sich allerdings unbedingt ein „Ticket to Ride“ besorgen und sich furchtlos schwindelfrei anschnallen bei „Jetbaguette“ mit den Beatles an Bord und drei unvergesslichen, absturzresistenten Flugbegleiterinnen. Nur Fliegen ist schöner! E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2¼ Std., eine Pause
Im Programm bis: 31.10.10
Nächste Vorstellungen: täglich außer montags

Dienstag, 15.02.2011

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