Cobalto / Gnawa / White Dark­ness - kultur 64 - März 2010

Zwei Dreierpacks: Das Cedar Lake Contemporary Ballet und die Compañia Nacional de Danza
als Gastspiele in der Oper

Nicht mal eine Woche lag zwischen den beiden Tanzgastspielen; dennoch strömte das neugierige Publikum in Scharen zu diesen Ereignissen und sorgte für ein zweimal komplett ausverkauftes Opernhaus. Das erst 2003 gegründete New Yorker Cedar Lake Contemporary Ballet gilt in Europa noch als Geheimtipp, wurde auf seiner ersten Deutschland-Tournée jedoch überall stürmisch gefeiert. Die ungemein kraftvollen Tänzer vermittelten eine unmittelbare Lebensenergie, die auch in Bonn niemanden kalt ließ. Sehr leicht und heiter wirkte das sonntägliche Geplänkel junger Paare beim Federballspiel in Sunday, again von dem Norweger Jo Stromgren. Zu ohrenbetäubenden elektroakustischen Klängen entfalteten sie in dem Stück Unit in reaction des italienischen Choreographen Jacopo Godani auf der raffiniert ausgeleuchteten Bühne tollkühne Körperbilder von atemberaubender Präzision und dramatischer Intensität. Auf die aggressive Dynamik folgt der leise Witz von Frame of View, inszeniert von der Niederländerin Didy Veldman. Die seit langem höchst renommierte Choreographin spielte virtuos mit der ganzen Bandbreite der Emotionen.

Etwas mehr auf Distanz blieb trotz südlichem Temperament die Compañia Nacional de Danza aus Madrid, das einzige staatliche moderne Ballett Spaniens. Leiter der 1979 von Victor UIlate (mit seiner eigenen Compagnie war er im September 2009 in Bonn zu Gast) als klassisches Nationalballett gegründeten Truppe ist seit 1990 Nacho Duarte. Drei seiner Choreographien hatte er für das Bonner Gastspiel auf der aktuellen Deutschland-Tournée ausgesucht. Die neueste, Cobalto (2009), ist eine Auseinandersetzung mit der Erotik. Das im Titel evozierte Kobaltblau spielt jedoch kaum eine Rolle in dieser ästhetischen Abstraktion des sinnlichen Begehrens. Ein Tisch dient als Begegnungs- und Trennungsort für ein Paar in spärlichen hautfarbenen Trikots, das zu schrill verfremdeten Orgelklängen einen schwebenden Liebesakt zelebriert. Ein Vorhang aus silbrig schimmernden, klirrenden Ketten bildet den Hintergrund für die folgenden Zweier-, Dreier- und Gruppenkonstellationen. Es gibt wunderbar genau getanzte zärtliche Annäherungen, erregte Verwirrungen und empörte Auflehnungen gegen die Macht des Eros. Die körperliche Leidenschaft bleibt dennoch merkwürdig kühl in diesem Exerzitium der Triebe.
Vogelgezwitscher und Wasserplätschern kündigen Gnawa an, in dem Duarte der Sinnlichkeit mediterraner Landschaften nachspürt. In unschuldiger Natürlichkeit flieht und vereint sich ein Paar wie Faun und Quellnymphe. Andalusische Klänge mischen sich mit nordafrikanischen, archaische Mythen mit ritualisierter Folklore. Die brillanten Tänzer bewegen sich wunderbar spielerisch durch die mythisch beseelte Welt, die wie ein schöner Abglanz längst vergangener Idyllen erscheint. Ekstatische Rhythmik erregt leidenschaftliches Tempo, sanftere Töne begleiten verträumte Passagen, in denen Figuren des klassischen Balletts angedeutet werden. Die pure Lust am Tanz bestimmt diese Choreographie, deren Titel sich von mystischen muslimischen Bruderschaften in Marokko herleitet.
In die raue Wirklichkeit entführt White Dark­ness, das Duarte 2001 seiner an Drogen gestorbenen Schwester widmete. In diesem Stück lässt er narrative Elemente zu, die er in seinen anderen Werken eher vermeidet. Zu den melancholischen „Adiemus-Songs of Sanctuary“ tanzt eine Frau selbstverloren durch den schwarzen Raum und trifft auf einen Gefährten, der sie immer weiter hineinzieht in Gruppen der Schönen und Erfolgreichen, die sich mit Kokain ihre Lebensenergie verschaffen. Ab und zu rieselt in feinen Strahlen das weiße Pulver aus dem Schnürboden, bis die Frau unter einem Schwall dieses gefährlichen Schnees langsam zusammenbricht. Duarte erzählt die traurige Geschichte in suggestiven Bildern durchaus pathetisch, aber völlig unsentimental. Das Publikum dankte dem hervorragenden spanischen Ensemble mit überzeugtem Beifall. E.E.-K.

Samstag, 05.02.2011

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