Noch’n Gedicht - Die Heinz-Erhardt-Revue - kultur 64 - März 2010

Schelmische Verse: Noch’n Gedicht - Die H.-Erhardt-Revue im Kleinen Theater

Wenn dem Specht hoch auf dem Baum schlecht wird und die berühmte kleine Made dran glauben muss, was schon wegen des Reimes sehr schade ist, möchte man vor Vergnügen am liebsten ganze Alleen von Purzelbäumen schlagen. Im Kleinen Theater scheint der legendäre Komiker und geniale Wortspieler Heinz Erhardt (1909 – 1979) wieder auferstanden zu sein. In der Gestalt des Schauspielers Thorsten Hamer (27), der den Mann mit der markanten Hornbrille, dem linkisch vorn­über gebeugten Oberkörper und den skurril sich verselbstständigenden Extremitäten gar nicht mehr live erlebt haben kann. Dennoch hat er sich Erhardts Gestik und Mimik so genau angeeignet, dass selbst die kühnsten Binnenreime und rhetorischen Kopfnüsse brillant funktionieren.
Noch’n Gedicht heißt Hamers Blütenlese aus Erhardts schönsten Sprüchen, Parodien und Sketchen, mit der er noch bis zum 26. Februar in Bad Godesberg zu Gast ist. Natürlich hat er einige Nummern ein bisschen aktuell aufpoliert – aber wenn er listig sein „Hach, was bin ich wieder für ein Schelm heute“ einstreut, scheint Erhardt leibhaftig wieder leise zu lächeln, um dann des Sängers Fluch zu beschwören und beim Beifall vor lauter Bescheidenheit ganz schamviolett anzulaufen. „Ich danke Ihnen für dieses Geräusch“, sagt er freundlich, bevor er wieder mit den Lachern im Publikum spielt und lustvoll die nächste Pointe spitzt. Er lässt die Versfüße listig stolpern, erschlägt den Jambus kurzerhand mit dem Daktylus und lässt das Naßhorn (glücklicherweise trägt das Tier auch in neuer Rechtschreibung noch eine Nase) mit dem Trockenhorn vier Zeilen lang durch die Wüste spazieren, bis sich diese auf ein lakonisches „Siehste“ reimt. Denn (und das steht im pfiffigen Bühnenbild von Frank Joseph als Menetekel an der Wand): „In vier Zeilen was zu sagen, erscheint zwar leicht, doch es ist schwer! Man braucht ja nur mal nachzuschlagen: Die meisten Dichter brauchten mehr…“. Wobei das Nachschlagen durchaus wörtlich zu nehmen ist, wenn der Taucher in balladesken Untiefen schwimmt oder „König Erl“ rückwärts durch Nacht und Wind reitet, bis der Gaul aus dem Maul dampft. Der Knabe lebt, das Pferd ist tot, und Johanna bleibt zu Hause, wenn’s in Orleans Cats and Dogs schüttet.
Selbstverständlich folgt auf jedes Regenlied (musikalische Leitung: Werner Heise) eine kalte Dusche, während Axel Hinz immer die Sonnenseite erwischt. Er und seine Kollegin Mira Nass liefern in Hamers Inszenierung die Dialogpartner für amüsante szenische Miniaturen. Selbst Inspizient Lutz Arkenberg muss auf die Bretter, die die Welt bedeuten und sich bekanntlich oft als Holzweg erweisen. Hinz macht mit stoischer Miene das Beste draus, Nass hat als kleptomanische Schlafwandlerin oder unermüdlicher Putzteufel hübsche Auftritte (Kos­tüme: Sylvia Rüger), muss sich jedoch einiges gefallen lassen von dem unverbesserlichen Wortklauber. Tröstlich: „Keine Frau ist so schlecht, dass sie nicht die bessere Hälfte eines Mannes werden könnte.“ Außerdem ist die Ehe sowieso nur eine Abkürzung für das klassische „Errare Humanum Est“.
Dem kleinen Ritter Fips wird notgedrungen die Rüstung feucht, was aber so ziemlich das einzige ist, das hier unter die Gürtellinie geht. Latein muss man nicht können, wenn die Mundschmeißer (alias Maulwürfe) die Logik untergraben. Wenn die Erderwärmung zu üppigen Schneefällen führt, heißt es ganz einfach: „Bei glatten Straßen muss man sechzehn gehen, also doppelt acht geben.“ Dass das hüpfende Komma eigentlich der springende Punkt ist, weiß sowieso jeder, der je/jäh seine Chips vor dem Bildschirm mit lachtränenfeuchten Wimpern fraß.
Einen Tusch für die absurde Poesie des Heinz Erhardt und seinen jungen Nachfolger. Letzterer berichtet zwar nichts Neues von der Sinnfront, dieses jedoch mit solch unverschämtem Biss und ironischem Charme, dass einem die Spucke im Hirn gefriert. Wenn Hamer die Stirn fletscht und die Zähne runzelt, bleibt halt kein Auge trocken. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2¼ Std., eine Pause
Im Programm leider nur bis 26.02.10

Donnerstag, 27.01.2011

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