Die Räuber - kultur 60 - November 2009 - Theater im Ballsaal

Grenzerkundung: Die Räuber nach F. Schiller im Ballsaal

Von der Rebellion zweier Söhne gegen die Väterwelt handeln Die Räuber, die Frank Heuels Fringe-Ensemble zum eigenen zehnten und zu Friedrich Schillers 250. Geburtstag im Theater im Ballsaal präsentiert hat. Aus Leipzig stammt angeblich der Brief, mit dem der ungeliebte, neidische Franz den alten Moor dazu bringt, seinen angeblich zum steckbrieflich gesuchten Dieb und Vergewaltiger gewordenen erstgeborenen Sohn zu verstoßen. Der ehrliche, edle Karl wird zum Verbrecher aus verlorener Vaterliebe und zum Anführer einer Räuberbande.
Von Bonn nach Leipzig durch das seit zwanzig Jahren wiederverei­nigte Deutschland ist das Fringe-Ensemble gewandert. Durch die republikanischen Räuberwälder sozusagen, die in den von René Reinhardt gefilmten und auf drei Monitoren gezeigten Bildern meistens so idyllisch erscheinen wie beim Klassenausflug ins Grüne. Den unter dem jährlichen Hochwasser leidenden Wirt an der Siegfähre haben sie getroffen, eine Försterin auf der Suche nach durchgeknallten Wilderern, zwei von „super Kerlen“ redende Ex-Häftlinge und eine mit rotem Plüschkissen an der Windschutzscheibe ihres Wohnmobils werbende Prostituierte, die ständig auf Parkplatzsuche für ihr ehrliches Gewerbe ist. Und einen Imker, der sich mit dem Brutverhalten von Bienenvölkern bestens auskennt und deren Königinnen gelegentlich umbringen muss. Wie sagt doch der melancholische Karl im Räuberlager an der Donau: „Bruder – ich habe die Menschen gesehen, ihre Bienensorgen, und ihre Riesenprojekte – (…) das wunderseltsame Wettrennen nach Glückseligkeit (…). Es ist ein Schauspiel, Bruder, das Tränen in deine Augen lockt, wenn es dein Zwerchfell zum Gelächter kitzelt.“
Schillers stürmisches Pathos wird zurückgenommen auf der mit großen weißen Quadern vollgestellten Bühne (Ausstattung: Annika Ley), um die die Zuschauer im Halbrund sitzen. Schillers dramatische Monologe sind artis­tisches Sprechmaterial im Spiel um Verrat und Treue, rasende Lebenswut und mörderische Wertezerstörung. Im Hintergrund wird der Reiseweg mit Kreide an die Wand gemalt und mit der Moorschen Familiengeschichte verbunden. Spiegelbergs Erzählung von der wüsten Heimsuchung eines Nonnenklosters wird zum bösen Satyrspiel, die Geschichte des jungen Räuber-Kandidaten Kosinsky zu einem sehr gegenwärtigen politischen Schurkenstück.
Zumal Kosinsky bekanntlich wie Karl einer treuen Amalia nachtrauert, die zwischen den männlichen Fronten dran glauben muss. Die fabelhafte Justine Hauer feuert als Cheerleader schwarz-rot-golden das verfeindete Brüderpaar an (bei Schiller begegnen sich Franz und Karl auf der Bühne übrigens nie). Der großartige Harald Redmer wird vom alten Moor am Ende zum mehlbestäubten Bäcker­meis­ter. David Fischer, Manuel Klein und Andreas Meidinger spielen die Brüder und bis zum bitteren Ende verschworenen Räuber. Ziel der spannenden Erkundung von Schillers Drama ist natürlich das Theater. Im Film taucht das Ensemble zum Schluss in der Leipziger Schaubühne Lindenfels auf. Sehenswert! E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 1 ½ Std., keine Pause
Im Programm bis: ????
Nächste Vorstellungen: 25.-28.11.09

Dienstag, 12.11.2013

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