Nachwehen/Contractions - kultur 60 - November 2009

Wirtschaftsthriller: Nachwehen/Contractions von M. Bartlett in der Pathologie

Der Reißwolf ist ständig betriebsbereit. Feine weiße Papierstreifen bedecken den Bühnenboden im Theater die Pathologie, wo Ulrich C. Harz die Nachwehen von Mike Bartlett inszeniert hat. Der 1980 geborene Autor gehört zu den Shooting Stars der britischen Szene. Unter dem Titel Contractions wurde sein Thriller aus der schönen neuen Wirtschaftswelt 2008 am Londoner Royal Court Theatre uraufgeführt.
Emma, leitende Angestellte in einer weltweit agierenden Firma, ist erfolgreich. Mit den Kollegen gibt es keine Probleme. Ihre Vorgesetzte bittet sie regelmäßig zum informellen Gedankenaustausch. Ein scheinbar harmloser vertrauensvoller Small-Talk zwischen weiblichen Top Dogs, wenn Emma nicht etwas zu verbergen hätte. In ihrem Vertrag steht klar und eindeutig, dass romantische und/oder sexuelle Aktivitäten, die der Anbahnung eines Liebesverhältnisses dienen könnten, mit Betriebsangehörigen nicht gestattet sind. Die Firma, die sich sehr intensiv um das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter kümmert, weiß sehr genau, was passiert ist, nachdem Emma mit ihrem Kollegen Darren ausgegangen ist.
Helga Bakowski ist die namenlose Managerin, die am weißen Schreibtisch auf einem weißen Chefsessel thront. Dezent elegant wie ihr schwarzes Kleid, freundlich kühl, souverän verständnisvoll. Selbstverständlich haben „wir“ Darren nach Einzelheiten gefragt, um sie mit Ihren Angaben abzugleichen. „Wir“ sehen eine Differenz zwischen seiner und Ihrer Einschätzung der Dauer der Beziehung. Ein genaues Verfallsdatum ist für „unsere“ weitere Planung wichtig… Das wäre eine der üblichen Geschichten aus der bekannten funktionalen Mitarbeiterkontrolle, wenn Bakowski nur das personifizierte Mission Statement der Firma spielte. Sie ist auch eine sehr attraktive Frau, die das Glück der Jüngeren nicht erträgt. Wenn sie zwischen den Szenen mit spitzen Fingern den Akten-Vernichter bedient, sieht das aus wie ein lustvoll aggressiver Akt.
Maren Pfeiffer ist die junge Aufsteigerin Emma im lässigen weißen Leinenanzug. Selbstbewusst, jederzeit mobil erreichbar, hart im Nehmen. Pfeiffer spielt sehr genau die Gefühlsverwirrungen, in die der folgenreiche Betriebsunfall Emma gestürzt hat. Emma wird schwanger und will ihr Baby haben, auch wenn dessen Vater nach Kiew versetzt wird und eine offizielle Trennung gefordert wird. Doch das Kind wäre ja der dauerhafte Beweis einer verbotenen Liebesbeziehung und könnte zu weiteren Kontakten führen. Eine Babyleiche reicht da nicht – es muss schon eine DNA-Analyse her, damit die allwissende Firmendatenbank wirklich sicher sein kann. Den Rest erledigt der Firmenpsychologe. Und Emma wird sicher eine perfekt zugerichtete Top-Managerin. Eine brillante, ziemlich makabre Realgroteske. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 1 Std., keine Pause
Im Programm bis: ????
Nächste Vorstellungen: 12./13.11.09

Dienstag, 14.02.2012

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