Being Haensel & Gretel - kultur 62 - Januar 2010

Toller Märchenspass: Being Haensel & Gretel in der Halle Beuel

Allein der Ausflug in den Märchenwald, den Bühnenbildnerin Anna Jungheinrich in die Halle Beuel gezaubert hat, ist ein Erlebnis. Da knarren geheimnisvoll die Äste, rauschen die Blätter, sprießen die Pilze und selbst ein silbriges Bächlein plätschert fröhlich vor sich hin. Ganz so romantisch idyllisch bleibt’s natürlich nicht, denn in der bekannten Geschichte von Hänsel und Gretel aus der Märchensammlung der Brüder Grimm geht’s um ziemlich schlimme Sachen: Eltern, die aus Not ihre Kinder im Wald aussetzen und dem Hungertod preisgeben, und um eine Kinder vernaschende Hexe, die von einem kleinen Mädchen grausam umgebracht wird.
In der witzigen, kunterbunten Inszenierung von Jens Poth wird daraus freilich ein ideenreicher Comedy-Spaß. „Christmas Panto“ nennt man in Großbritannien diese Form des Unterhaltungstheaters für die ganze Familie. Jenseits des Kanals gehören diese opulenten Märchen-Revuen mit vielen Gags und Improvisationen (mit der klassischen Pantomime hat das trotz des Namens nichts zu tun) zur Weihnachtszeit wie der Tannenbaum und der knusprig gebratene Truthahn. Deshalb hat das Theater Bonn sein diesjähriges Familienstück ein bisschen englisch (mit Engeln hat das hier gar nichts zu tun) aufgepeppt. Mitsingen beim schrägen Soundtrack aus Kinohits und Schlagerseligkeit (musikalische Leitung: Michael Barfuß, an diversen Instrumenten glänzend in die Tat umgesetzt von Martin Erdmann) ist erwünscht; die Bühnenakteure mit La-Ola-Wellen anzuspornen, ist ein Muss. Ansonsten spricht man Deutsch in der kurzweiligen Show. Yorck Dippe als eine Mischung aus mittelalterlichem Spielmann mit blondlockiger Langhaarperücke, Thomas Gottschalk und schalkhaftem Conferencier erzählt sogar den ganzen Grimmschen Originaltext. Der Mann, der am Ende sogar selbst zum Saxophon greift, ist ein unwiderstehlicher Entertainer. „So ähnlich, so ungefähr, würd’ es aussehn, wenn ich Hänsel und Gretel wär…“. Spätes­tens da hat er jeden Realismus außer Kraft gesetzt und Groß und Klein in eine poetische Märchenlogik entführt, wo alles möglich ist.
Reichlich unpoetisch ist das Familienleben in der Köhlerhütte, wo das Jugendamt getrost mal vorbeischauen dürfte. Der gutmütige Papa (prall komisch: Günter Alt) hat’s echt nicht leicht mit seiner zweiten Gattin (herrlich kapriziös: Hendrik Richter), die Haare auf den Zähnen und teure Markenklamotten im Sinn hat. Die beiden sind ein zum Fürchten gutes Paar. Als Eltern eher untauglich, weshalb Hänsel und Gretel plötzlich allein im Wald landen und vor Hunger echt den Blues kriegen. Nix Humperdincks vierzehn himmlisch ums Bettchen schwebende Heilige, hier knurrt echt der Magen: „Was gäb ich jetzt für ’ne schöne Nutella-Stulle“. Arne Lenk als tapferer Hänsel (mit Che-Guevara-T-Shirt unterm braven Wams) und Anastasia Gubareva als mutige Gretel-Göre singen und spielen einfach hinreißend.
So recht was Magen Füllendes hat die geheimnisvolle schwarze Spinne leider nicht zu bieten. Leckere, selbst gefangene Insekten sind halt gewöhnungsbedürftig wie ihr merkwürdiger Spinnendialekt. Maria Munkert fliegt und turnt als Spider-Woman im metallisch glänzenden Anzug (tolle Kostüme von Michael Siebenrock-Serafimowitsch) so halsbrecherisch durch den Wald, dass einem angst und bange werden kann. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, und in Gefahr und höchs­ter Not kommt von irgendwo ein Märchen her. Raphael Rubino taucht als Rotkäppchen, Wolf, singender Hahn und hässliches Entlein (inkl. „Schwanensee“) auf, was auch Anlass zum Test der Märchenkenntnisse des Publikums gibt.
Hendrik Richter mutiert von der wasserstoffblonden bösen Stiefmutter zur goldglänzenden Hexe, die unter ihrer schwarzen Perücke tiefschwarze Pläne hegt. Zum Beispiel hungrige Kindermäulchen in ihrem blinkenden Schlecker-Klecker-Hexenhaus zu stopfen, die Kleinen freundlich für sich einzunehmen und sich dann einzuverleiben. Kannibalisch lustig sperrt sie Hänsel in ihre transparente „Fett Machine“ (für die Erwachsenen klingt’s nach James Browns „Sex Machine“), was bei diesem zu einer erheblichen Gewichtszunahme führt. Ganz abgesehen davon, dass die schlaue Gretel allzu viel Zuckerschlecken irgendwann ungesund findet – sie hat auch entschieden was dagegen, dass ihr Bruder als „Backhänsel“ enden soll. In die heiße Röhre kommt folglich die Hexe als rechter Satansbraten.
Frau Holle schüttelt die Kissen, während auf der anderen Seite der Bühne leise der Schnee rieselt. Und weil die Hexe heimlich noch ein paar Schätze angesammelt hatte, wird’s der Familie richtig gut gehen. Für die Zuschauer ist das alles ein himmlisch kurzweiliges Vergnügen, wunderbar albern und heiter überdreht, ohne den geringsten pädagogischen Anspruch – schlicht köstliches Theater zum Anbeißen schön! Passt prima auf jeden Weihnachtswunschzettel!

Für Familien mit Kindern ab 6 Jahren und alle Menschen, die Lust auf puren Theaterspaß haben. Weil gelegentlich improvisiert wird und das Publikum mitmachen darf (nicht muss!), gibt’s in jeder Vorstellung kleine Überraschungen. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 1¼ Std., keine Pause
Im Programm bis: ?????
Nächste Vorstellungen: 25.12./27.12./29.12./31.12./9.1./24.1./6.2./13.2.

Donnerstag, 09.12.2010

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