Studio 2 / Shutters Shut / Subject to Change / Maybe Two - kultur 97 - Juni 2013

NDT 2 und Gauthier Dance im Opernhaus: Brillanz und Witz

Blutjung sind sie und gehören zur Elite der Tanzwelt. Das Nederlands Dance Theater 2, die Nachwuchs-Company des NDT, ist längst eine Klasse für sich und eine eigenständige Truppe, für die weltbekannte Choreographen neue Stücke kreieren. 1989 schufen Paul Lightfoot und seine Partnerin Sol León ihre erste Arbeit für das NDT. Studio 2 hieß der Probenraum, und so heißt auch ihr Ballett, das sie zum 50-jährigen Jubiläum des NDT schufen. Zur Musik von Arvo Pärt tanzen drei Männer und drei Frauen eine Probensituation, die von einer Spiegelwand reflektiert wird, so dass sich die Bewegungen vervielfachen. Auf das halbstündige raffinierte Spiel mit der Wahrnehmung folgte das kurze Duett Shutters Shut nach einem Picasso gewidmeten Gedicht von Gertrude Stein. Ihre Stimme liefert den Rhythmus für eine unglaublich präzise und witzige Figurenfolge. Ernster wurde es in Subject to Change zu Schuberts Quartett Der Tod und das Mädchen in der Streichorchester-Fassung von Gustav Mahler. Vier Männer bedrohen das Glück eines Liebespaares, das sich in einem verzweifelten Pas de deux aneinanderklammert, während ihm ein roter Teppich ausgerollt, gedreht und schließlich unter den Füßen weggezogen wird.
Zum heiteren Finale hatte die Truppe entgegen der ursprünglichen Planung ein neues Werk des jungen schwedischen Choreographie-Stars Alexander Ekman ins Programm genommen. Maybe Two beleuchtet ironisch die Höhen und Tiefen von Paarbeziehungen. Brautkleider schweben zum Himmel, aus dem später Babypuppen fallen. Es gibt handfesten Streit und zärtliche Versöhnungen. Wie die Liebe halt spielt… Das Bonner Publikum ließ sich am Abend vor dem 1.Mai hinreißen von der tänzerischen Eleganz und Perfektion des jungen Spitzenensembles und bedankte sich mit stürmischem Applaus.

– So beglückt wie nach Lucky Seven erlebte man die Bonner Ballettfans selten. Wie das NDT 2 besteht die Stuttgarter Truppe Gauthier Dance aus klassisch ausgebildeten Tänzern. Unter ihrem Leiter Eric Gauthier hat sie sich in wenigen Jahren an die Weltspitze getanzt. Der junge Franko-Kanadier erlaubt sich etwas eher Rares in der modernen Tanzszene: ansteckenden Humor. Er ließ es sich auch nicht nehmen, persönlich kurz die sieben Stücke vorzustellen, die er für das zweitägige Gastspiel in Bonn mitgebracht hatte. Selbst getanzt hat er die männliche Partie in Hans van Manens Klassiker Old Man & Me, einem höchst amüsanten Duett über Verführung und Versagen. Sich selbst auf den Leib choreographiert hat der auch als Musiker tätige Künstler das luftige Solo Air Guitar. Auf Tempo und heutige Tanzformen setzt das turbulente Lickety-Split des Spaniers Alejandro Cerrudo zu Songs des amerikanischen Freak-Folk Sängers Devendro Banhart. Wie man schlechte Laune überwinden kann, bewies Malasangre (wörtlich „Böses Blut“) von Cayetano Soto. Stampfend und brüllend machen die Tänzer zur Musik der kubanischen Sängerin La Lupe ihrer Wut Luft, bevor sie energisch wieder einsteigen in ihre positiv gestimmte Tanzwelt. Aus seiner Versteinerung löst sich auch das Paar in Pietra Viva des Italieners Mauro Bigonzetti: eine rasante Gefühlsexplosion! Leicht und sexy ist dagegen das Duett Cherry Pink and Apple Blossom White des israelischen Choreographen Itzik Galili, eine vergnügliche Parallele zu „Old Man“. Irgendwie scheint der bebrillte Anzugtyp immun zu sein gegen den koketten Hüftschwung der Frau im kirschroten Kleid. Wenn er schließlich anbeißt, lässt sie ihn abblitzen, reizt ihn aber sofort wieder, wenn er sich zurückzieht. Eine herrlich unverschämte Komödie!
Dass die Six Dances von Ji?i Kylián schon über 25 Jahre alt sind, mochte man kaum glauben angesichts der frischen Neuinterpretation von Gauthier Dance. Wie da zu Mozarts Sechs Deutschen Tänzen die Rokoko-Seligkeit karikiert wird, Reifrock-Kostüme sich selbstständig machen und schließlich das Puder aus den weißen Perücken quillt, ist ein unwiderstehlicher Spaß.
Dass man nach zwei bezaubernden Stunden „very lucky“ dem kalten Mai trotzen könne, hat Gauthier charmant versprochen. Der begeisterte Beifall an den beiden ausverkauften Abenden war jedenfalls kaum zu toppen. E.E.-K.

Dienstag, 26.11.2013

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.



Letzte Aktualisierung: 28.03.2024 21:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn