Sonny Boys - kultur 96 - Mai 2013 - Kleines Theater Bad Godesberg

Sonny Boys von Neil Simon im Kleinen Theater: Geniales Komikerduo

„Wenn ich nicht sterbe, heb ich mir was fürs Alter auf“, sagt Al Lewis mal zu seinem früheren Bühnenpartner Willi Clark. Gut verdient haben die beiden Könige des Boulevards lange Zeit. Die Sonny Boys waren ebenso unzertrennlich wie zerstritten. Bis Al nach 43 gemeinsamen Jahren plötzlich Schluss machte. Das war vor elf Jahren. Jetzt haust der verlassene Willi einsam in einem heruntergekommenen New Yorker Hotel-Apartment und wartet auf kleine Aufträge. Nicht ganz einfach, wenn die Hände bei der Rasierklingen-Werbung zittern und das Gesicht eher für Arzneimittel gegen Magenverstimmungen taugt. Okay, Al war der bessere Komödiant, aber diese feuchte Aussprache und dieser ausgestreckte Zeigefinger – einfach grauenhaft…
In seinem Kleinen Theater Bad Godesberg spielt der 82-jährige Prinzipal Walter Ullrich selbst die entthronte Diva Willi. Er schmollt und grantelt wie ein wehleidiges altes Kind und genießt seine Widerworte, als ob er dabei immer noch auf der Bühne stünde. Genau darin liegt der Witz der 1972 uraufgeführten unverwüstlichen Komödie Sonny Boys des amerikanischen Erfolgsautors Neil Simon. Das wirkliche Leben dieser alten Varieté-Stars fand im Theater statt. Sie können auch jenseits der Bretter, die die Welt bedeuten, nicht aufhören zu spielen. Ein klemmender Türriegel wird sofort zum Running Gag. Jede scheinbar private Alltagsgeste schielt auf Wirkung, als ob sie für Zuschauer geschähe. Mit der Doppelbödigkeit aller Aktionen spielt die leichtfüßige Inszenierung von Manfred Molitorisz perfekt. Das Timing ist präzis, die sprachlichen Pointen sitzen auf die Sekunde genau. Sonny Boys ist bis heute zeitloses Schauspielerfutter für zwei alte Virtuosen.
Von der großen Theaterwelt vergessen hockt Willi im Pyjama vor dem kaputten Fernseher und tyrannisiert mangels Publikum seinen Neffen und Agenten Ben.
Olaf Böhnert spielt die undankbare Rolle des Vermittlers sehr fein. Neben dem eigenen Geschäft ist es der Respekt vor den alten Künstlern, der ihn mit Engelsgeduld alle Gemeinheiten seines egozentrischen Onkels ertragen lässt. Und der Lohn für seine liebevolle Sorge naht als ganz große Chance: Willi und Al sollen ihren legendären „Doktor-Sketch“ für eine TV-Retrospektive wiederbeleben.
Einfach hinreißend spielt Erwin Geisler den sanft in New Jersey vertrottelten Al. Der ­soignierte Herr mit Hut, Spazierstock und feinem Pelzkragen-Mantel (Kostüme: Kara Schutte) ist ein solcher Kontrast zu dem verlotterten Genie Willi, dass die Aggressionen gleich wieder hochkochen. Schon wie die beiden gebrechlichen Herren das Zimmer für die Probe herrichten, gerät zu einer komödiantischen Glanznummer. Allein schon die zum Skelett umfunktionierte Stehlampe ist ein Spaß für sich. Wie Ullrich als Willi die Probe dominiert und das Wort „Türe“ zelebriert, die man nicht mit einem „Pochpochpoch“ markieren müsse, weil sie doch konkret da sei, ist fast noch lustiger als der Durchlauf vor laufenden Kameras.
Angesichts der verflossenen Zeit ist nämlich der ganze Sketch irgendwie peinlich geworden. Doch die beiden Herren geben sich plötzlich wieder so agil wie einst, treiben einen tapferen kleinen Regieassistenten (Michael Dierks) zur Verzweiflung, die Show zum Platzen und Willi mit einer Herzattacke ins Krankenbett. Der würde wahrscheinlich aber noch den Tod mit einem bösartig hingeworfenen „Hereinspaziert“ aus dem Konzept bringen.
Mit den reizenden Rundungen der Sketch-Krankenschwester (Mona Carina Nemec) kann die von Ben engagierte nüchterne Krankenpflegerin (Marie Christin König) nicht konkurrieren, futtert sich aber ungeniert rund mit den von Al heimlich geschickten Pralinen. Für die beiden alten Kampfhähne mit ihren liebenswürdigen Macken gibt es indes gute Aussichten. Sie werden sich in einem hübschen Heim für alte Bühnenkünstler folglich noch eine Weile streiten können darüber, wer alle Witze viel zu ernst nahm. Und sich diebisch freuen, dass sie noch am Leben sind, wenn wieder mal einer der früheren Kollegen ins Gras gebissen hat, egal ob’s der Theaterarzt in X oder der Stage-Direktor in Y war.
Vorher sollte man das unübertrefflich komische Paar aber unbedingt noch im Kleinen Theater besichtigen, wo der Beifall bei der ausverkauften Bonner Premiere kaum enden wollte. E.E.-K.


Spieldauer ca. 2 Stunden, inkl. einer Pause
Die nächsten Termine:
bis 15.05. täglich außer
30.04. / 1.05. / 6.05. / 9.05. / 10.05.13

Dienstag, 12.11.2013

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