Schöne Geschichten mit Papa und Mama - kultur 98 - Juli 2013

Schöne Geschichten mit Papa und Mama von Alfonso Paso im Contra-Kreis-Theater: Lebensabend mit Goldrand

Alle Medikamentennamen haben sie drauf und Mittelchen gegen alle Wehwehchen stets griffbereit. Als geübter Hypochonder weiß man schließlich, was gerade angesagt ist im TV-Klinik-Hype. Dolores Velas­co und Fernando Cano, beide verwitwet, ziemlich fortgeschrittenen Alters und kerngesund, verbringen ihre Zeit also ausgiebig in ärztlichen Wartezimmern, was die Geduld ihrer vielbeschäftigten, fürsorglichen Kinder manchmal arg strapaziert. Immerhin entdecken Dolores aufgeweckte Tochter Manuela (Mandy Partsch) und Fernandos oberlehrerhafter Sohn Ricardo (Fabian Goedecke) bei der Gelegenheit, dass sie nicht nur Nachbarn sind, sondern auch gemeinsam eine Geschäftsidee entwickeln könnten.
Funken tut’s jedoch bei den Alten – und zwar so heftig, dass sie glatt alle Zipperlein vergessen. Fernando, dessen taube Beine bisher konkurrierten mit seiner Schwerhörigkeit, wird quasi schockgeheilt am pochenden Herzen von Dolores. Wie Anita Kupsch als Dolores im rotkarierten Jackenkleid mit schwarzem Kapotthut aus jedem Satz listig eine Pointe hervorzaubert, grenzt ohnehin an ein Wunder. Hübsch schnippisch pariert die zierliche blonde Dame mit der großen Klappe jeden Angriff und geht buchstäblich offenherzig ans Werk, um den Herrn lauschen zu lassen an ihrem Dekolleté. Achim Wolff spielt den alten Kavalier, den angesichts solcher Reize fast der Schlag trifft und dann mit Macht Amors Pfeil. Wie Fernando sich mit Oscar-Wilde-Zitaten schmückt, verschlägt seinem Sohn fast die Sprache. Zugegeben: Die Umgestaltung seiner Wohnung im Orient-Design (Ausstattung: Regina Schöll) beruht auf einem Hörfehler, und Dolores‘ violettes sexy Outfit ist sehr mutig, was nach unübersichtlichen Mengen von Champagner so ins Blaue führt, dass die Grünschnäbel auf Rot schalten.
Schöne Geschichten mit Papa und Mama passen nämlich überhaupt nicht in deren Konzept. Die bis über beide Ohren verliebten Senioren haben also alle Hände voll zu tun, um mal ihre Sprösslinge für eine Nacht loszuwerden. Sogar ins Theater wollen sie die Kinder schicken, was natürlich schiefgehen muss, weil Schöne Geschichten mit Papa und Mama ja eine höchst vergnügliche Boulevard-Komödie ist. Eine ziemlich alte sogar, geschrieben von dem Spanier Alfonso Paso (1926 – 1978). Die erfolgreiche Inszenierung des 2011 verstorbenen Wolfgang Spier hat Contra-Kreis-Chef Horst Johanning für sein Theater noch mal auf Hochglanz poliert. Romeo und Julia Ü70, und die Kinder als Gegner ihrer Liebe – da hilft zur Hochzeit nur ein ganz alter Trick. Immerhin wird der nur in seine Aktenordner verliebte Ricardo irgendwann lernen, dass Manuela ein menschliches Wesen ist und sehr weiblich.
Gut, es ist reichlich egoistisch, wenn die Alten die Erbschaft ihrer Nachkommen verballern. Aber Liebe ist nun mal rück­sichtslos und schert sich nicht um irgendwelche Jahre. So richtig prickelnd waren die vergangenen Ehejahre nicht, die knapp bemessene Zukunft soll anders werden. Kupsch und Wolff gelingt das Kunststück, kein bisschen peinlich zu wirken. Im Gegenteil: Das neu erblühte Paar lässt die Jüngeren ganz schön alt aussehen. „Was kann ich denn dafür, dass die Zeit so schnell vergeht“, antwortet Dolores trocken, wenn die Jungen ihr ihr Alter vorhalten. Da hat sie ganz einfach Recht, und das letzte Wort behält sie sowieso. Erfrischend frech und heiter. Die Zeit im Contra-Kreis vergeht jedenfalls wie im Flug. Der Applaus bei der Premiere war fast grenzenlos. E.E.-K.
Spieldauer ca. 2 Stunden, inkl. einer Pause
Das Stück steht noch bis zum 21.07.13
täglich außer montags auf dem Spielplan.

Dienstag, 10.12.2013

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