Wie komm ich jetzt da drauf? - kultur 99 - Oktober 2013

Wie komm ich jetzt da drauf? mit Jochen Busse im Contra-Kreis-Theater: Hochleistungs-Denksprint

Eine Geschichte hat dem bei der Premiere anwesenden neuen Bonner Generalintendanten so gut gefallen, dass er sie gleich am nächsten Morgen in der Oper bei der Begrüßung aller Mitarbeiter zitierte. In seinem Kabarett-Rundumschlag erzählte Jochen Busse nämlich, dass man in Dortmund das Fußballstadion geschlossen hätte, weshalb die Theater nun immer schon eine Stunde vor Aufführungsbeginn voll wären mit Fans, die riefen „Steh auf, wenn du für Hamlet bist“. Eine höchst vergnügliche Vorstellung, obwohl wir sie doch wohl einer gewissen mentalen Unzurechnungsfähigkeit zuschreiben müssen.
Jochen Busse kommt in seinem Solo-Programm Wie komm ich jetzt da drauf? auf so ziemlich alles – gern auch mit Umwegen, die über Treppenlifte zur Reiselust der Senioren führen, über heikle Eselsbrücken zum Veggie-Day, von Schillers Bürgschaft zum Banken-Roulette und von Anti-Alzheimer-Übungen zu den Mumienversammlungen, die man Talk-Shows nennt. Vor allem geht es ums Alter und die Zeit, in der man sich wegen der zunehmenden Beerdigungen wieder häufiger mit Freunden trifft, an die man sich nicht erinnert.
Der 72-jährige Schauspieler jongliert virtuos mit scheinbaren Gedächtnislücken, die er Minuten später überraschend füllt. Er setzt klassische Boulevard-Pointen neben politische Spitzen, springt von Helmut Schmidts solide geteerter Lunge zur verkohlten Republik, baut Aktuelles ein wie das Fernseh-Duell der Kanzlerkandidaten (inkl. Merkels unübersehbarer Deutschland-Kette) und die neuesten Meldungen zum Stand der Wahl-Dinge.
Zugegeben: Die Frau an seiner Seite bevorzugt Manufactum, weshalb sie den Umzug ins Grüne organisiert hat, was der Herr ebenso gelassen erträgt wie die Party zum Abschied von der Stadtwohnung. Obwohl der Tod noch nicht vor der Tür steht, sondern nur einen Parkplatz sucht. Was erfahrungsgemäß in Bonn ewig dauern kann. Langeweile kommt im Contra-Kreis jedenfalls nicht auf, wenn Busse seine rasanten Kopfbälle hinterlistig ins Tor schießt. Ganz ohne Requisiten, nur mit seiner fabelhaften Bühnenpräsenz, gedopt allenfalls durch Intelligenz-Transfusionen. Der junge „Dietmar“ im Publikum braucht sich deshalb nie zu fürchten vor Foul-Attacken nach dem Muster diverser TV- Spielshows.
Dass statt Goethes Faust eher die „Rosen aus Athen“ im Langzeitgedächtnis gespeichert sind, schadet bei einem mäßigen sozialen Verkalkungsgrad wenig. Und wer nie seine Brötchen beim Bäcker in Hühnersprache bestellte, weiß noch nicht, wie scharf Hirnkrümel pieken. Gegen kummervolle Nächte helfen Busses geistige Querpässe jedoch ga­rantiert. Inklusive gesundem Lachmuskeltraining und kalkulierten Nebenwirkungen wie z.B. Standing Ovations für ein wirklich großartiges Hochleistungsspiel ohne Verlierer.

Ca. 2 schnell vergehende Stunden, eine Pause. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 Stunden
inkl. einer Pause
Im Programm bis zum 28.09.2013

Dienstag, 10.12.2013

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