Die schönen Tage von Aranjuez - kultur 100 - November 2013

Die schönen Tage von Aranjuez im Theater Die Pathologie: Melancholische Wortspiele

Möglicherweise sind der anonyme Mann und die ebenso namenlose Frau ein Paar in diesem „Sommerdialog“. Auf jeden Fall reden sie an einem milden südlichen Spätsommertag über das, was Männer und Frauen wahrscheinlich nicht verbindet. Zwei nicht mehr ganz junge, schöne, gebildete Menschen auf weißen Gartenstühlen mit ein wenig gutem Wein und vielen Erinnerungen. Aber sich selbst und gegenseitig merkwürdig nah und fremd. „Die schönen Tage in Aranjuez sind nun zu Ende. Eure königliche Hoheit verlassen es nicht heiterer“, sagt der Beichtvater Domingo zu Beginn von Schillers Drama Don Carlos. Peter Handke lässt in seinem 2012 bei den Wiener Festwochen uraufgeführten Stück Die schönen Tage von Aranjuez kostbare Tristesse schweben über der Lebensvergeblichkeit.
Im Theater Die Pathologie hat Christoph Pfeiffer Handkes nachdenkliches Sprachspiel mit Maren Pfeiffer und Martin Maria Vogel inszeniert. „Zum Glück ist das hier zwischen uns beiden kein Drama“, sagt der Mann einmal. Er trägt zum eleganten schwarzen Anzug einen lässig um den Hals geschlungenen Schal und ein weißes Käppchen, das ihm einen, wie auch immer zu verortenden, orthodoxen Anschein verleiht. Er befragt die Frau – sie trägt eine schlichte Perlenkette zum schlanken schwarzen Kleid – nach ihren erotischen Erfahrungen und Empfindungen. Sie antwortet anfangs einsilbig. Er will Ausführlichkeit. Sie reagiert vorsichtig, als müsste sie die verblassten Erinnerungsbilder für sich selbst hervorholen. In seine Gelassenheit mischt sich inquisitorische Aggression. Grob verlangt er Auskunft über ihre „Fick- und Vögeljahre“. Sie nutzt die leise Macht ihrer Worte, beginnt selbst das Verhör zu lenken, ohne vordergründig Intimitäten preiszugeben. Sie zieht ihn hinein in ihre Erzählungen, macht ihr Gegenüber hinterrücks zu einer Figur ihrer Erinnerungen, in denen Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen.
Er weicht aus mit einem Vortrag über die verwilderten königlichen Küchengärten in Aranjuez und das Wesen einer Johannisbeere. Mit der säuerlichen Symbolik hinter den poetisch fein geschliffenen Satzgefechten geht die Regie glücklicherweise sparsam um. Portugiesischer Fado untermalt die Melancholie des Liebes-Abgesangs. Am Schluss tanzt der Mann, während die Frau sachte verführerisch einen Träger ihres Kleides verrutschen lässt und ihr Atem den des Mannes kreuzt. „Wir sind vergebens hier gewesen“, heißt es bei Schiller weiter. Denn die schönen Tage sind bei dieser Inszenierung nicht zu Ende, sondern nur flüchtig vorüber gegangen. In der Pathologie weht ein zärtlich ironisches Lächeln über Handkes sanft verstört schillernden Liebesverlust-Essay. Gerade so schmerzlich, dass ein Besuch nicht vergeblich bleibt. E.E.-K.

Spieldauer ca. 60 Minuten,
keine Pause
Die Nächsten Termine: 15.11./16.11.

Dienstag, 03.12.2013

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