1913. Der Sommer des Jahrhunderts - kultur 100 - November 2013

1913. Der Sommer des Jahrhunderts in den Kammerspielen: Wanderung durch das Dickicht der Geschichte

Zwölf Monate – ebenso viele Szenen und mindestens so viele Treppen. Man muss sich bewegen in diesem Sommer des Jahrhunderts, den Florian Illies in seinem Bestseller 1913 aus vielen kleinen Partikeln zu einem Panorama des letzten Friedensjahres vor dem Ersten Weltkrieg zusammengesetzt hat. Zehn Gruppen begaben sich nach dem Startschuss bei der Premiere auf eine Wanderung durch die Eingeweide der Kammerspiele. Es ist die erste Sekunde des Jahres 1913, mit dem das lange 19. Jahrhundert endet und das kurze 20. beginnt. Franz Kafka beschreibt den Prager Mitternachtsschuss in einem Brief an seine Geliebte in Berlin. In New Orleans begrüßt der zwölfjährige Louis Armstrong das neue Jahr mit dem Schuss aus einer geklauten Pistole und erhält kurz danach eine Trompete.

Vieles passiert gleichzeitig in Illies‘ brillantem Essay über die Ungleichzeitigkeit und die merkwürdig schillernde Welt am Abgrund der Geschichte. Man kann dem gesamten neuen Bonner Schauspiel-Ensemble begegnen bei dem von der Hausregisseurin Alice Buddeberg und dem Dramaturgen Lothar Kittstein konzipierten szenischen Parcours. Im Tonstudio z.B. trafen wir Arnold Schönberg (Wolfgang Rüter) bei der Erfindung der Zwölftonmusik, im Verwaltungsgang den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand (Glenn Goltz) in der Hoffnung auf seine Krönung, in der Statistengarderobe Thomas Mann (Bernd Braun) beim Rasieren, im Farbenlager den erfolglosen Maler Adolf Hitler (Alois Reinhardt) und im Raucherraum einen depressiven Georg Trakl (Lydia Stäubli). Unterwegs hört man Ausschnitte aus dem Buch – mal komisch, mal erschreckend.

Am Ende eines aufregenden Jahres finden sich alle Gruppen wieder auf der Bühne ein. Jede hat Unterschiedliches erlebt, bevor der Vorhang sich hebt und das Publikum den Schauspielern im Zuschauerraum applaudiert. Lust auf die Lektüre des Textes macht die Vorstellung ebenso wie auf eine Wiederholung des Rundgangs mit einem anderen Besichtigungsprogramm. Niemand kann alle Szenen erleben, aber wegen des großen Interesses wird das zunächst nur für einen Tag geplante Projekt im November und Dezember erneut präsentiert. E.E.-K.

Der Rundgang dauert ca. 1½ Stunden,
„1913“ steht wieder am 2.11.13 und am 13.12.13 auf dem Spielplan, jeweils 18 und 20 Uhr.
Bequemes Schuhwerk ist ratsam.

Dienstag, 03.12.2013

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