Achtung Deutsch! - kultur 100 - November 2013

Achtung Deutsch! im Contra-Kreis-Theater: Perfekte Integration

Wahrscheinlich muss man Österreicher sein wie Stefan Vögel, um eine Komödie zu schreiben, die eine Gruppe ‚Migranten‘ so vergnüglich auf dem Boulevard vereint. Beziehungsweise in einer preisgünstigen deutschen Sozialwohnung. Deutsch ist nur der Hauptmieter und Dauerstudent Henrik Schlüter, der sich das Domizil in bester Lage teilt mit vier ausländischen Kommilitonen. Wie sich plötzlich herausstellt, ist die muntere Studenten-WG indes gemeldet als deutsche Familie mit zwei Kindern. Ein Kontrollbesuch der Wohnungsbaugenossenschaft soll das bestätigen. Um der Kündigung zu entgehen, beschließen sie, die deutsche Familie einfach zu spielen. Was sie so hingebungsvoll tun, dass jedes Klischee noch überboten wird.
Im Contra-Kreis hat der kabarett-erprobte Regisseur Jochen Busse diesen herrlich witzigen „Crashkurs für Neogermanen“ inszeniert. Er hat Vögels Komödie Achtung Deutsch! zuvor bereits erfolgreich in Düsseldorf und Köln auf die Bühne gebracht. Wenn das gelungene Drama selbst schon ein Glücks­fall fürs Theater ist, wird es in Busses Regie mit treffsicher gesetzten Pointen und geradezu grenzenlosem Multi-Kulti-Spaßfaktor zu einem Glanzstück.
Dass Henrik (Patrick Dollmann) gerade vor dem Eintreffen des Briefes der Wohnungsbaugenossenschaft in den Schi-Urlaub aufbricht, ist wirklich ein Zufall. Außerdem weiß er alles in bester Ordnung, solange der Syrer Tarik (Ouadirh Ait Hamou) ein waches Auge auf die anderen wirft. Zumal Tarik der einzige ist, der akzentfrei Deutsch spricht. Er arbeitet fleißig an seiner germanistischen Dissertation über mittelhochdeutsche Lyrik und an der selbst für Eingeborene schwer verständlichen Einbürgerungsantragsepik. Die charmante Französin Virginie (Clara Cüppers) nimmt es mit der Jungfräulichkeit nicht so ernst und studiert Italienisch gern am lebenden Objekt. Das heißt seit kurzem Lorenzo (Nico Venjacob), ist ein mamafixierter Mini-Macho und seiner Hochschulreife intellektuell nicht ganz gewachsen. Was der Wiener Rudi (Matthias Kofler) nach unzähligen Semestern Psychologie und entsprechendem Alkoholkonsum immerhin kapiert. Wie Tarik sich in den Erziehungsberechtigten der Rasselbande verwandelt und Virginie das brave Hausmütterchen mimt, ist ebenso amüsant wie die beiden etwas zu groß geratenen ‚Söhne‘, deren Verhalten eigentlich das Sozialamt auf den Plan rufen müsste.
Als Problem erweist sich der selten nüchterne, sozial nur mäßig integrierte deutsche Nachbar Friedhelm Schröder (René Toussaint), dem die ganze Sache mit den Ausländern nicht passt. Als verständnisvoller Bürokrat bewährt sich dagegen Jochen Reize (Steffen Laube), der in seinen Dienstpausen ein reizendes Dirndl nicht verachtet.
Auch wenn die Blütezeit der Studi-WGs vorbei ist: Solidarität gilt noch was bei der lustigen Truppe, die vor den Miet­haien zu einer solch urdeutschen Familie mutiert, dass sogar der Kuckuck in der Uhr vor lauter Lachen fast heiser wird. Dass Tarik bald seine deutsche Staatsbürgerschaft bekommt, ist Ehrensache bei einem solch sympathischen jungen Schauspiel-Ensemble und zwei ‚alten Hasen‘ wie Toussaint und Laube. Achtung Deutsch! ist ganz nebenbei auch ein liebenswürdiges Plädoyer für Toleranz. Wer’s im Contra-Kreis verpasst, ist selber schuld. Wenn’s endlich mal einen Publikums-Preis für die beste Theater-Aufführung in Bonn gäbe, wäre Achtung Deutsch! gewiss ein heißer Kandidat. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2¼ Stunden,
inkl. einer Pause
Das Stück steht noch bis zum 15.12. täglich außer montags auf dem Spielplan

Dienstag, 03.12.2013

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.


Letzte Aktualisierung: 24.04.2024 19:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn