Omma Superstar - kultur 93 - Februar 2013

Omma Superstar von Gunther Beth und Volker Bohnet im Contra-Kreis-Theater : Mit Herz und frischem Mut

Einen finanziellen Rettungsschirm könnte Meta Sommer ganz gut brauchen für ihr soziales Projekt in Tunesien. Die alte Dame hat den Kopf voller Pläne, wenig Gepäck noch weniger Lust auf die brave Oma-Rolle in einer stinkbürgerlichen Familie. Genau eine solche gaukelt ihr Tochter Sandy vor, bei der Meta sich jahrelang nicht blicken ließ. Es knirscht an allen Ecken in Sandys Haushalt. Einen hoffentlich baldigen Ex-Gatten und einen hoffnungsvollen, Medizin studierenden Sprössling von einem Apothekergehalt zu finanzieren, ist eine Herausforderung, bei der frau mütterlichen Rat eher nicht benötigt. Meta stört also den labilen Familienfrieden ganz gewaltig, obwohl sie mit Kochlöffel und Besen ziemlich unschlagbar ist und (nicht ganz uneigennützig) die Haushaltskasse schont.
Außerdem ist sie in Wirklichkeit Grit Boettcher und heimlich für einen guten Zweck auf dem Trip zu einer TV-Serien-Karriere. Weshalb sie auch die Mails ihres Enkels und dessen Moped-Vollkasko-Versicherung geknackt hat, um den nur sehr relativ professionellen Schauspiellehrer Knack (herrlich beknackt verkörpert von Frank Büssing) zu honorieren, nachdem sie bei einem Casting entdeckt wurde. „Ich sehe ja aus wie Grit Boettcher“, hat sie allerdings erschrocken ausgerufen, als sie am Set für die neue Telenovela hergerichtet wurde. Natürlich war das nicht der einzige Grund, weshalb die „Omma“, gespielt von der echten Grit Boettcher, nach der ers­ten Staffel die Brocken hingeschmissen hat. Die bekannte Film- und Bühnenschauspielerin Grit Boettcher kann es sich leisten, selbstironisch mit ihren langen Erfahrungen und ihrem Image zu kokettieren und scheinbar aus der Rolle zu fallen, um sich direkt ans Publikum zu wenden. Sie ist das Zentrum der liebenswürdigen Familienkomödie Omma Superstar von Gunther Beth und Folker Bohnet, die jetzt in der Regie von René Heinersdorff am Bonner Contra-Kreis-Theater ihre Uraufführung erlebte. Sie ist vor allem das lebendige Herz der Aufführung und meis­tert mit gesundem Menschenverstand und einer ordentlichen Portion Mutterwitz alle Situationen.
Nicole Belstler-Boettcher (im wirklichen Leben tatsächlich Grit Boettchers Tochter) behauptet sich auf der Bühne perfekt in dem allfälligen Mutter-Tochter-Konflikt. Sandy, hochgewachsen, blond und höchst gescheit, hat’s nicht leicht mit ihrer kleinen Familie. Ihr Noch-Mann Artur reicht ihr nicht nur geistig knapp bis zur Schulter, an die er sich gelegentlich anlehnt. Der Typ (hübsch zappelig als nie erwachsen werdendes Kind gespielt von Rolf Berg) hängt ihr echt zum Hals raus, zumal er längst bei Svetlana haust, die ihr Geld an der Alu-Stange verdient. Wie Sohnemann Stefan, Medizinstudent, reichlich spitz bemerkt. Der pfiffige Junge, intelligent verkörpert von Werner Michael Dammann, hält seinen Papa zu Recht eher für einen Loser als das große Los. Hat aber was übrig für die charmante Oma. Das Bündnis zwischen den Generation klappt also ganz gut, auch wenn Meta die Kinder ganz gern überspringen und gleich zu den Enkeln übergehen würde.
Außerdem braucht sie Geld für ihre „gefallenen Mädchen“ in Nordafrika. Genauer in Sidi Bou Said, dem u.a. durch den Bonner August Macke bekannt gewordenen tunesischen Künstlerdorf – ein bisschen bildungsbürgerliches Lokalkolorit muss die Suppe würzen, während Meta selbige auf Sparflamme kocht. Oder im schwarzen Trikot und weißen Tütü den sterbenden Schwan an der Besenstiel-Ballettstange übt, bis charmante Hilfestellung aus der erste Zuschauerreihe erforderlich ist.
Bis der junge Medienprofi Ketschensteiner hereinschneit. Ketschi ist ein echter News-Catcher und wird unverschämt komisch gespielt von Claus Thull-Emden, der nicht nur mit leicht nervösem Zähnepfeifen und grotes­ken Verrenkungen Tempo in die Sache bringt. Oma Meta, der Sandy sarkastisch allenfalls einen Auftritt bei den „Latenten Talenten“ zutraute, hat nämlich die Rolle ihres Lebens erobert und wird der Superstar einer neuen TV-Serie. Oma macht Schlagzeilen, während Schwiegersohn und Enkel sich mit Designer-Sonnenbrillen – ‚Arturo‘ platzt vor Stolz fast aus seinem schwarzen Big-Boss-Jackett – sich als Manager-Boygroup aufspielen, was irgendwann unter deutlichem Alkoholeinfluss an der Laterne vor Sandys Wohnung endet.
Die phonetischen Bemühungen des Herrn Knack kontert Meta mit einer großartigen „Iphigenie“, die klassische Versmaße beherrscht und begreift und einen Moment lang den ganzen Medienunfug vergessen lässt. Künstlerischer Tiefsinn wird aber nicht mehr gebraucht beim „kommerziellen Flachsinn“, von dem sie sich souverän verabschiedet. Deshalb sagt Meta Sommer dem Winter ganz einfach Adieu und richtet ihre kleine Familie neu aus. Einen Traum in Rosa (Kostüme: Anja Saafan) hat sie sich für ihren großen Auftritt gegönnt. Aber mit Küchenschürze und alten Spruchweisheiten als graue Bildschirmmaus in die Wohnzimmer zu flimmern – nein danke! Für einen Familienurlaub in Tunesien wird das sauer verdiente Geld aber reichen.
Auch mit 74 hat man noch Träume und fängt neu an, was die Jüngeren versäumten. Grit Boettcher zeigt das fabelhaft uneitel mit unerschütterlich sanftem Biss. Und singt als Zugabe so unwiderstehlich trotzig mit gekonntem Hüftschwung ihr „Mit 70 fängt das Leben erst an“, dass die Standing Ovations für ihre Oldie-Charme-Offensive und das putzmuntere Ensemble bei der ausverkauften Premiere fast schon zwangsläufig waren. E.E.-K.

Dauer ca. 2 Std. inkl. Pause
Weitere Termine: tägl. außer Montag bis 17.03.13

Donnerstag, 12.09.2013

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