Die Damen warten - kultur 93 - Februar 2013

Die Damen warten: Uraufführung von Sibylle Berg in der Halle Beuel – Weltfrauentag mit Dauerglück

Sie haben Gutscheine erhalten für alles Schöne, was Frauen über 50 mit nachlassender Attraktivität noch brauchen: Makeup- und Outfit-Beratung, Frisurenstyling, Fitnesstraining und Designertaschen für Lippenstifte und Luxusparfüms. Die Gebärphase ist vorbei, Männer und das ganze Unterleibsgedöns sind höchstens noch eine sexuelle Episode. Trotzdem ist viel die Rede vom unruhigen Fleisch und geschlechtlicher Betätigung in Sibylle Bergs neuem, im Auftrag des Theaters Bonn verfasstem Stück Die Damen warten. Nach Die goldenen letzten Jahre und Lasst euch überraschen! ist es bereits das dritte Berg-Werk, das in Bonn uraufgeführt wurde. Generalintendant Klaus Weise, der die inzwischen 50-jährige, höchst produktive Autorin vor etlichen Jahren quasi für die Bühne entdeckte, hat selbst die Regie übernommen bei der bitterbösen Utopie aus dem postfeministischen Zeitalter.
Frauen sollen und wollen gefallen; sich in Form zu halten ist neben der Erzeugung von Nachwuchs ihre Lebensaufgabe. Mit dem ihr eigenen Sarkasmus persifliert Frau Berg diese möglicherweise doch nicht so ganz überholte Position. Ihr brillant mit unverschämten ­Pointen und amüsanten Anspielungen gespickter Text ist eher undramatisch. Er präsentiert Typen wie Körper gewordene Thesen. Weise und seinem großartigen Ensemble (darunter zwei Gastschauspielerinnen) gelingt es, sie tatsächlich mit Leben zu erfüllen. Die Inszenierung schlägt nicht zu, knallt dem Publikum nicht Frau Bergs weibliche Wut um die Ohren, sondern zeigt ein Konversations-Stück mit surrealen Elementen.
Einen Verwöhn-Tag hat man den Damen geschenkt. Eine kühle Wellness-Oase mit gläserner Badewanne und Trainingsgeräten hat Bühnenbildner Martin Kulkulies dafür in der Halle Beuel aufgebaut. Da schneien sie also herein und stellen sich mit Hilfe von Video-Einblendungen vor: Frau Merz-Dulschmann (Tatjana Pasztor), Hausfrau, glücklich verheiratet, zwei erwachsene Söhne. „Ordentliche Frau, naiv wirkend“, kommentiert der Mann, den sie Horst nennen dürfen. Frau Luhmann (Elisabeth Auer), Angestellte in einer Anwaltskanzlei, alleinerziehende Mutter eines fast erwachsenen Sohnes - „unauffällige Frau, man übersieht sie leicht“. Frau Töss (Susanne Bredehöft), Rechtsanwältin für Schadensfälle, ledig mit fester Beziehung zu einem verheirateten Mann – „alles ein wenig zu blond, zu sexy“. Frau Grau (Cornelia Kempers), Pathologin, ledig – „schöne Professorin“. Falilou Seck spielt den freundlichen Herrn des Studios – ledig, nach einer Zeit als Pfarrer jetzt Masseur, Hormonspezialist, Therapeut und folglich bestens gerüstet für seine schwere Aufgabe. Weise hat ihm noch eine junge Assistentin (Anna Möbus) beigesellt: fast stumm, gertenschlank und glatzköpfig wie die Schaufensterpuppen, die die Bühne später bevölkern.
Es riecht nämlich etwas seltsam in dem Luxus-Etablissement, in dem die wartenden Damen sich erst mal spitz gegenseitig aufs Korn nehmen, Intimitäten preisgeben und sich lustvoll verbal austoben. Doch der Ton wird zunehmend galliger, der Mann aggressiver, die Komödie so giftig wie das Gas, das langsam in den Raum strömt. Denn der herrliche Tag soll auf Anordnung der Regierung auch der letzte irdische der unnützen Damen sein. Sie sollen Platz machen für die jungen, schönen, gesunden, wertvollen Mitglieder der Gesellschaft und vor allem für die männlichen Entscheidungsträger. Leise und sehr human sollen sie entsorgt werden in eine unterirdische Wellness-Oase.
Die Damen warten nicht länger, vereinen sich zum Chor und greifen beherzt zu. Der Mann muss dran glauben und darf sich noch mal aus dem Himmel melden. Leider sind alle Türen verriegelt, nur das künstliche Paradies unter der Erdoberfläche steht ihnen noch offen. Da stehen sie nun im Licht der Sonnenbänke und Schaufenster und singen „Wir sind allein, Gott ist die Frau.“ Auf ewig glücklich zwischen Konsumgütern, Springbrunnen und Windspielen in einer friedlichen neuen Welt ohne Tod und Leiden. Keine schönen Aussichten!
Es macht freilich großen Spaß, dem spielerisch blendend aufgelegten Ensemble dabei zuzuschauen. Die Damen warten ist eine unterhaltsame, satirisch bissige Groteske, die nicht verstört, sondern nur ein paar hinterhältige Fragen stellt. Beim Bonner Publikum hat sich das herumgesprochen, die meisten Vorstellungen sind ausverkauft.

Für die Vorstellung am Weltfrauentag (8.03.) plant das Theater besondere, aber garantiert ungefährliche Überraschungen für das weibliche Publikum. E.E.-K.

Spieldauer ca. 1 ¾ Stunden, keine Pause
Die nächsten Termine:
1.02. / 5.02. / 23.02. / 27.02. / 3.03. / 8.03. / 24.03.13

Donnerstag, 12.09.2013

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