Das fliegende Klassenzimmer - kultur 89 - Oktober 2012

Das fliegende Klassenzimmer von Erich Kästner im Jungen Theater Bonn: Vom Wert der Freundschaft

Über eine blühende Fantasie verfügt Johnny Trotz (Tim Rodenkirchen / Henrik Heil – die Kinderrollen sind wie üblich doppelt besetzt), der seine Eltern nicht kennt und sich einen fabelhaften Ozeankapitän als Vater erdichtet hat. Außerdem ist er Verfasser und Regisseur des Stückes Das fliegende Klassenzimmer, das Erich Kästners 1933 erschienenem, bis heute beliebtem Kinderroman den Titel lieh.
Kästners Sprache hat der Regisseur Volker Maria Engel in seiner Bühnenbearbeitung beherzt modernisiert. Die Stärke seiner zum Saisonstart am Jungen Theater Bonn uraufgeführten neuen Fassung liegt in der Genauigkeit, mit der er die Sehnsüchte, Probleme und Ängste der präpubertären Jungen in wunderbar sensiblen kleinen Szenen fast beiläufig einfängt. Der Internatsschüler Sebastian Grünkern (Ricardo Rausch / Julius Nebling), den alle für einen Streber halten, sucht die Anerkennung seines vielbeschäftigten Papas, der ihn als Individuum kaum wahrnimmt. Außerdem ist Direktor Grünkern (Carlo Himmel aus dem Erwachsenen-Ensemble) echt ein bisschen peinlich, wenn er sich als überdrehter Showmaster geriert.
Ausgerechnet dem Direktorensohn Sebastian haben die frechen Externen die Diktathefte geklaut, die er seinem Vater bringen sollte. Und plötzlich ist der Junge selbst verschwunden. „Voll krass“ finden das seine Kameraden, brechen die Probe zu ihrem Theaterstück ab und setzen sich über das Ausgangsverbot hinweg. Genau darum geht es: Man muss sich gegenseitig helfen, auch wenn man dabei in Konflikt mit bestimmten Regeln gerät.
Nach allen Regeln der Kunst in Schach hält die Kinder der bebrillte Primaner, den sie den „schönen Theodor“ nennen. Der talentierte 20-jährige Oliver Ewy (in der Jugendoper Peer Gynt am Theater Bonn spielt er übrigens die Titelrolle; im JTB alterniert er mit dem ebenfalls über viel Bühnenerfahrung verfügenden Cedric Lawida) macht daraus ein skurriles Ereignis. Es ist einfach hinreißend komisch, wie er mit strengem Blick durch den Raum tänzelt, die ‚Kleinen’ strammstehen lässt und sich zum Ordnungshüter aufspielt. Natürlich wird auch er was lernen von dem sympathischen Lehrer Dr. Julius Bökh, den die Kinder zu Recht „Jus­tus“ nennen. Jan Herrmann spielt diesen eigenwilligen Pädagogen, der als Strafe schon mal Kaffee und Kuchen verordnet und sich genau an seine Jugend erinnert. Er weiß noch, „wie traurig und unglück­lich Kinder zuweilen sein können“ (Erich Kästner) und handelt gern jenseits ausgetretener schulischer Pfade.
Er weiß Rat, wenn die schulischen Leistungen von Martin Thaler (Matthias Beckonert / Frederik Stuhlemmer) in den Keller rutschen, weil wegen Geldmangels die ersehnte Ferienreise ausfallen muss. Die Noten von Matze Sebmann (Kilian Sachau / Mark Fertig) sind sowieso zum Heulen und zu Asche gewordene Klausuren eher ein Grund zur Freude. Dafür ist er auf der Bühne trotz (natürlich gespielter) abenteuerlicher Hänger ein wirklicher komödiantischer Schatz. Das gehört jedoch schon wieder zum Spiel im Spiel, das die junge Truppe blendend beherrscht. Im lustig bunten Bühnenbild von Sandra Van Slooten ist das fiktive Theater zwar manchmal kaum zu unterscheiden vom realen, aber auch darum geht es in der vergnüglichen Geschichte.
Ernst wird’s dann doch, als der bekennende Angsthase Uli von Simmern (Levin Schoen-Schöpke / Anton Beck) eine ultimative Mutprobe wagt. Da ist die ärztliche Hilfe des freundlichen „Nichtrauchers“ wirklich gefragt. Bernard Niemeyer spielt den erwachsenen Aussteiger, der als Bar-Pianist sein Geld verdient und immer ein offenes Ohr für die Schüler hat.
Dass die durch diverse Lebenserfahrungen zusammengeschweißten Freunde am Ende auch das feindliche Geschwader mitfliegen lassen bei ihrem himmlischen „Klassenzimmer“, ist Ehrensache. Die unverschämten Girls (schrille Kostüme: Brigitte Winter) Roxy (Lucia Zitz / Veronique Schal), Trixy (Carlota Klieeisen / Lena Rieck), Pixy (Daria Thüringer / Helena Scherer) und der unbeliebte Wawerka (Riccardo Ferreira / Matthias Brück) dürfen mitmachen, wenn sich der Vorhang öffnet für Johnnys integratives Schultheater-Experiment. „Sehr gelungen“, bewies der herzliche Premierenbeifall. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 Stunden inkl. einer Pause
Die nächsten Termine: 13.10.12 / 14.10.12 / 1.11.12 / 2.11.12 / 15.11.12 / 16.11.12
Für Zuschauer ab 8 Jahren.

Dienstag, 13.11.2012

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