Der eingebildete Kranke (Euro Theater Central Bonn) - kultur 100 - November 2013

Der eingebildete Kranke im Euro Theater Central: Gut dosierte Medizin

Die Wahrheit lauert am Totenbett. Glücklicherweise ist Monsieur Argan aber noch sehr lebendig, als er erfährt, dass seine Tochter ihm ehrlich zugetan ist, während seine junge Gattin auf einen lukrativen Witwenstand spekuliert. Um den sterbenskranken Herrn aufzuklären, bedarf es freilich einer energischen Bediensteten wie Toinette. Im Euro Theater Central spricht sie jetzt Deutsch mit einem bezaubernden französischen Akzent.
Vor gut einem Jahr kam dort Molières berühmte Komödie "Le malade imaginaire" in der Originalsprache heraus. Das Wagnis gelang so vortrefflich, dass viel mehr frankophone Vorstellungen als geplant nötig waren, um den Bedarf zu decken. Nun gibt es endlich eine deutschsprachige Version der pfiffigen Inszenierung der Schweizerin Marianne de Pury. Mit Der eingebildete Kranke eröffnete das Euro Theater Central seine 44. Spielzeit.
Monsieur Argan ist vernarrt in seine Krankheiten, was angesichts aller ärztlichen Bemühungen eine kerngesunde Natur voraussetzt und diversen Vertretern der Heilkunst den Geldbeutel füllt. Ein Arzt in der Familie könnte zur Kostendämpfung beitragen. Deshalb soll seine hübsche Tochter einen Vertreter der Heilkunst ehelichen. Das Mädchen hat freilich sein Herz an den sympathischen Cléante verloren. Die flotte Improvisations-Ästhetik der Commedia dell’Arte im südlich hellen Bühnenbild von Thomas Ziegler prägt den Witz der Aufführung, in Bewegung gebracht von der Choreographin Bärbel Stenzenberger. In schwarzen Kostümen mit weiß geschminkten Gesichtern wartet die Schauspielertruppe hinter dem Sessel des ‚sterbenskranken‘ Hausherrn auf ihren Einsatz und mokiert sich über dessen üppigen Arzneimittelkonsum.
Für Virginie Cointe ist es eine echte Premiere, denn die gebürtige Französin spielt zum ersten Mal eine Rolle auf Deutsch. Ihre aufgeweckte Toinette ist der Motor der Handlung. Mit weißer Kopfbinde auf dem ergrauten Zottelhaar und Wollsocken zum Rokoko-Hausmantel thront Johannes Prill als alter Tyrann im Zentrum der Bühne, kämpft mit einem hartnäckigen Schluckauf, verlangt nach teuren Klistierchen und Tinktürchen, me­ckert ungeduldig über alles und misst seine verbleibende Lebenszeit in Apothekenstunden. Prill spielt den selbstsüchtigen, einsamen Hypochonder fabelhaft genau und gibt ihm über alle pralle Komik hinweg den sanften Hauch von Tragik, der diese Theaterfigur seit der Uraufführung 1673 in Paris (Molière selbst spielte bekanntlich die Titelrolle und starb kurz danach) unsterblich gemacht hat.
Ein roter Handschuh und ein kokett wedelnder Fächer genügen, um Stephan Tacke-Unterberg vom schmachtenden jungen Liebhaber oder gelehrigen Medizinstudenten in Argans hoffnungsvolle Ehefrau Béline zu verwandeln. Franz-Jürgen Zigelski spielt die Dame des Hauses ebenfalls, wenn er nicht gerade mit Doktorhut und Brille den Arzt oder Notar gibt. Sandra Pohl debütiert als reizendes Töchterchen Angélique, das ganz sicher nicht hinter Klostermauern verschwindet. Wie ein weltbekannter Arzt namens Purgon statt purgierender Einläufe mehrere Amputationen empfiehlt, ist ein köstliches Schauspiel. Es bedarf jedoch des gesunden Menschenverstandes der brillanten Toinette, um einen Scheintoten hellhörig zu machen. Unheilbar wird Argan zwar bleiben, aber das Komödienglück triumphiert. Der muntere Premierenbeifall brauchte jedenfalls kein Doping aus dem Arsenal der Ärzte und Apotheker. E.E.-K.

Spieldauer ca. 1¾ Stunden,
inkl. einer Pause
Die nächsten Termine:
26.10., 27.10., 13.11., 14.11., 25.11.
(in franz. Sprache ), 4.12. (in franz. Sprache ), 6.12., 7.12., 31.12.

Dienstag, 03.12.2013

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