Le malade imaginaire (Euro Theater Central Bonn) - kultur 89 - Oktober 2012

Le malade imaginaire von Molière im Euro Theater Central: Frische Typenkomödie

Perfekt französisch spricht das ganze fünfköpfige Ensemble. Das Euro Theater Central eröffnete seine 43. Spielzeit nämlich mit Molière in der Originalsprache. Le malade imaginaire, das letzte Werk des großen Komödiendichters, rechnet ab mit den gelehrten Spezialisten für die körperliche Gesundheit, deren gesunder Menschenverstand vor allem der Sanierung ihrer Geldbeutel dient. Über eine robuste Konstitution und solide Liquidität muss man schon verfügen, um wie Monsieur Argan alle Klistierchen und todsicheren Heilmittelchen unbeschadet zu überstehen. Oder sich tot stellen, um zu begreifen, was hinter dem Rücken tatsächlich abläuft. Wörtlich: Denn hinter Argans Krankensessel sitzen ständig die anderen und verwandeln sich mit wenigen Requisiten flugs in die verschiedenen Figuren. Dem gutgläubigen Herrn was vorzuspielen, ist schließlich ein Hauptmotiv des Stückes.
Die polyglotte Schweizer Regisseurin Marianne de Pury, seit etlichen Jahren regelmäßig am Euro Theater tätig, schiebt deshalb in ihrer Inszenierung des Eingebildeten Kranken die Ärzte-Satire eher in den Hintergrund zugunsten der Typenkomödie im Stil der Commedia ­dell’Arte. Die Regie setzt auf Hochgeschwindigkeit bei Molières raffiniertem Prosa-Schlagabtausch. Südliche Leichtigkeit verbreitet die luftige Raumgestaltung von Ausstatter Thomas Ziegler (ständiger Bühnenbildner bei dem berühmten Choreographen Martin Schläpfer) mit hell gestreiften Wänden.
In der Mitte thront mit bandagiertem Kopf Johannes K. Prill und sieht fast so aus wie der sterbenskranke Molière selbst in seiner letzten Rolle. Prill, frankophon sozialisiert, spielt einen köstlichen Kranken: herrlich wehleidig, melancholisch verliebt in jedes purgatorische Rezept, vollkommen taub für jeden Schwindel. Noch nicht alt genug für die Immunität gegen alle Verführungen, süchtig nach Zuwendung und ungeheuer einsam. Eine komische Figur im Rokoko-Gewand und Wollsocken hart an der Grenze zur Tragik. Prills Argan bleibt nämlich bei aller grotesken Verblendung sehr menschlich.
Das weibliche Hauspersonal ist bei Molière meis­tens schlauer als die feinen Herrschaften. Die witzigsten Pointen gehören folglich Toinette, die ein Herz hat für die romantisch verliebte Jugend. Die gebürtige Französin Virginie Cointe debütiert brillant als Spielmacherin zwischen röchelnder Lunge und zungenfertigen Bonmots. Mit rotem Handschuh und Fächer mutiert Stephan Tacke-Unterberg zur besorgten jungen Gattin des großen Kindes Argan, bevor er als jugendlicher Liebhaber Töchterchen Angélique kniefällig den Hof macht oder sich als geistig minderbemittelter Arztsohn um die Hand des hübschen Patientensprösslings bewirbt. Jana Reiß spielt das reizende Mädchen, das selbstbewusst seine Gefühle durchsetzt. Franz-Jürgen Zigelski übernimmt mal die Rolle der treuen Witwe in spe oder die ihres hoffnungsvollen Notars. Vor allem ist er der lebenserfahrene Béralde, der seinem jüngeren Bruder streng von weiteren Doping-Experimenten im Familienkosmos abrät. Argan ist zwar unheilbar, aber kein Problem mehr, wenn sein soziales Umfeld sich mit dem Lachen als bestem Medikament begnügt.
Für Nebenwirkungen sind ausnahmsweise mal nicht Ärzte und Apotheker zuständig, sondern das NRW-Zentral-Abitur, bei dem für Französisch-Leistungskurse die Kenntnis des Malade imaginaire Prüfungsvoraussetzung ist. Der überzeugte Premierenbeifall für die geistreiche Produktion garantiert aber auch Publikum jenseits des Gymnasiastenalters. Die deutschsprachige Premiere folgt im Dezember. E.E.-K.

Spieldauer ca. 1½ Stunden inkl. einer Pause
Die nächsten Termine: 2.10.12 / 3.10.12

Dienstag, 03.12.2013

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