Letzter Vorhang - kultur 70 - November 2010

Rosen für die Lady: Letzter Vorhang im Euro Theater Central

„17 Millimeter fehlten mir zu meinem Glück, und schon warf’s mich tausend Meilen zurück“, bekannte Hildegard Knef (1925 – 2002) in ihrem letzten, auf Camus’ glücklichen Sisyphus anspielenden Song. „Ich habe mehr überlebt als gelebt“, schrieb die Künstlerin, die als Flittchen der Nation und Deutschlandmutter, heimatloser Tramp und selbstbewusster Vamp irritierte. Steil nach oben und rasant wieder runter – fade Kompromisse passten nicht zu der Schauspielerin und Sängerin, der das Euro Theater Central zum Saisonbeginn eine spannende musikalische Hommage gewidmet hat. Letzter Vorhang heißt das Stück von Krystyan Tomzek, was jedoch nicht als Omen für das von kommunalen Sparmaßnahmen bedrohte Bonner Privattheater zu verstehen ist.
Um eine Theaterschließung geht es gleichwohl: 1993 musste das – inzwischen von Dieter Hallervorden wieder zum Leben erweckte – Berliner Schlossparktheater dicht machen. Unter der Intendanz von Boleslaw Barlog spielte Hildegard Knef hier 1946 ihre ersten großen Theaterrollen. Im selben Jahr wurde der ehemalige Reichsfilmdramaturg Ewald von Demandowsky, mit dem die junge Filmschauspielschülerin eine kurze Affäre hatte, von einem russischen Militärtribunal in Berlin zum Tode verurteilt und erschossen.
Von Höhen und Tiefen erzählt sie in der Nacht vor dem „letzten Vorhang“. Nicht ganz freiwillig, denn der Nachtwächter des Schlossparktheaters scheint mehr als nur ein normaler Fan der Lady zu sein, die nie eine Dame war. Man könnte es Freiheitsberaubung nennen, was auf der erinnerungsreichen Bühne passiert, wo sie ihren großen Auftritt im Schlusskonzert proben möchte. Angela H. Fischer hat genau die rauchig-raue Stimme, die die Lieder der Knef so unvergesslich machen. Sie kopiert die berühmte Diseuse nicht, sondern spielt vor allem die dünnhäutige Robustheit und verletzliche Radikalität einer Frau, die 1951 als „Sünderin“ einen Kino-Skandal verursachte, in Hollywood und am Broadway Karriere machte und mit ihrem „Geschenkten Gaul“ und ihrem Krebsbericht „Das Urteil“ die Bestsellerlisten stürmte. Trotz aller historischer Fakten bleibt sie in der Inszenierung von Marianne de Pury eine Kunstfigur. Die Regisseurin deckt sensibel die Risse einer Biografie auf und verleiht dem dramatisch etwas flachen Krimi-Plot brillante Tiefenschärfe, unterstützt von Thomas Zieglers sparsamem Bühnenbild mit einem spiegelnden Vorhang im Hintergrund. Andreas Strigl verkörpert eindrucksvoll den undurchsichtigen Nachtwächter, dem ein Stück deutscher Theatergeschichte um die Ohren fliegt. Das musikalische „Salz in der Suppe“ liefert der Pianist Guido Ricken.
„Für mich soll’s rote Rosen regnen“ – keine Frage: Es muss! E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 1½ Std., keine Pause
Im Programm bis: ???
Nächste Vorstellungen: 28.+29.10./8.+9.11.

Donnerstag, 17.03.2011

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