Pieces of me - kultur 101 - Dezember 2013

Pieces of me im Ballsaal: Stückweise sortiert

Als „ein Stück über ein Stück“ beschreibt die Company CocoonDance ihre neue Produktion Pieces of me. Seit Jahren erforschen die Choreographin/Regisseurin Rafaële Giovanola und der Dramaturg Rainald Endraß die Bedingungen und Möglichkeiten des tänzerischen Erzählens. Das interaktive „Bonusmaterial“ heutiger DVDs hat sie inspiriert zu einer Reflektion über unterschiedliche Wahrnehmungsperspektiven. Das Beiwerk wird zum Hauptwerk, die Zuschauer ‚navigieren‘ durch Fragmente von Geschichten, während die zentrale Story Fiktion bleibt.
Deshalb gibt es im Ballsaal bei dieser Aufführung keine Bestuhlung. Das Publikum soll sich um die Spielfläche herum bewegen und seine Blickwinkel verändern. Schwarze Schriftzeichen am Rand des weißen Tanzbodens evozieren Peter Brooks „leeren Raum“ und diverse topologische Konzepte des 20. Jahrhunderts, während die Geometrie des Ortes in wechselnder Beleuchtung (Raum und Lichtgestaltung: Marc Brodeur) changiert und durch die raffinierten Klangspuren von Jörg Ritzenhoffs Musik ständig neue Dimensionen gewinnt.
Die sieben exzellenten Tänzer proben vereinzelt Bewegungsabläufe, halten ab und zu einen Moment fest, wiederholen krampfhaft bestimmte Situationen, finden sich zu Gruppen zusammen und driften ab in Selbstdarsteller-Solos. Eine blonde Frau (hervorragend: die gebürtige Spanierin Imma Rubio) zieht sich ein schwarzes Jackett und High-Heels an und wird zur energischen Spielmacherin. Sie fährt eine Stellwand mit Projektionsflächen durch den Raum, kommentiert das Geschehen und liefert szenische Impulse. Es gibt männlich aggressive Duette und erschöpfte Annäherungsversuche (Alvaro Esteban, Werner Nigg, Andi Xhuma), merkwürdige Irrläufe und originelle Figurenstudien. Die Tänzerinnen Stéphanie Bayle, Susanne Schneider und Fa-Hsuan Chen untersuchen das Emotionsgebiet, wobei letztere in einer besonders anrührenden Szene, mit verbundenen Augen auf einem Stuhl sitzend, verzweifelt das Wort „I“ zu artikulieren versucht. Ist es ein brutales Verhör oder ein qualvolles Liebesgeständnis?
Die Zuschauer erfahren sich als Mit-Akteure, die aus performativen Bruchstücken ein mögliches Drama selbst erfinden dürfen. Als ‚Outtake‘ gibt es ein Video, das das Ensemble zeigt im riesigen Bühnenbild-Sarg der Schauspiel-Produktion Am Katzenmoor aus der letzten Spielzeit. Da versinken sie im Torf, der jede Bewegung anders definiert als die glatte helle Fläche im Ballsaal. So wie die Kameras am Bühnenrand immer nur vergrößerte oder reduzierte Augenblicke notieren.
Pieces of me ist ein spannendes Stück über die mechanische Zerstückelung des Erlebens von Kunst und ihrer Herstellung. E.E.-K

.Spieldauer ca. 60 Minuten,
keine Pause
Die Nächsten Termine:
Bei redaktionsschluss nicht bekannt

Dienstag, 14.01.2014

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