Wochenend und Sonnenschein - kultur 59 - Oktober 2009

Urlaubsträume - Wochenend und Sonnenschein im Contra-Kreis-Theater

Er ist blitzblank, himmelblau, trotz seiner Jahre noch ganz schön flott und hört auf den Namen „Elmar“. Kein Wunder, dass Günther Schmitz seinen Reizen erlegen ist und das ganze mühsam gesparte Geld für die geplante Ferienreise mit seiner Gattin Elvira in das charmante Mercedes-Oldtimer-Cabrio inves­tiert hat. Elvira („Günther, gestehe!“) zeigt sich freilich wenig erbaut von der neuen Eroberung. Der Familienfrieden gerät also ziemlich ins Schleudern. Statt eines Fernflugs gibt’s nur einen Ausflug an den Gardasee, wobei sich’s auch noch das aufgeweckte Töchterchen Klara und die aus dem Seniorenheim ausgebüchste Oma Margarete auf Elmars Rücksitzen bequem machen. Dass dessen Kofferraum sich hartnäckig gegen alle Öffnungsversuche sperrt, ist egal – mit „Wochenend und Sonnenschein“ im Gepäck und beflügelt von „Spaniens Gitarren“ ist der Traumurlaub so gut wie sicher. Das garantiert schon das versierte Autorenduo Christian Struppeck und Andreas Gergen – u. a. Verfasser des Udo-Jürgens-Musicals Ich war noch niemals in New York. Die beiden haben ihre neue musikalische Komödie im Contra-Kreis-Theater zudem so spritzig inszeniert und die bekannten Ohrwürmer so pfiffig in die muntere Geschichte eingebaut, dass man dafür glatt über sieben Brücken gehen würde.
Die musikalische Leitung liegt in den bewährten Händen von Stephan Ohm, der die Reise nicht nur launig am Flügel begleitet, sondern viele der Songs auch überraschend neu arrangiert hat. Leon van Leeuwenberg (im Contra-Kreis noch in bester Erinnerung aus What a feeling! und Fred vom Jupiter) gibt liebenswürdig den stolzen Tankstellenbesitzer und zerknirschten Familienvater, der schließlich vor der weiblichen Übermacht („Frauen re­gier’n die Welt“) kapituliert. Gudrun Schade als tüchtige Hausfrau und Mutter Elvira beweist nachdrücklich, dass ihr der Sinn nach mehr steht als dem bekanntlich mit links zu erledigenden Haushalt. Je näher der Süden rückt, umso mehr entpuppt sie sich als höchst attraktive, selbstbewusste Frau. Johanna Hanke als Günthers Mama Margarete ist allenfalls dadurch zu erschüttern, dass kein Schwein sie anruft, und schwingt sich zur Verbrecherjagd notfalls tollkühn mit einem jungen Kerl aufs Motorrad: „Born to be wild“. Eine echte Entdeckung ist die junge Marianne Curn, die gleich nach ihrem Musical-Diplom vom Contra-Kreis engagiert wurde. Sie ist eine entzü­ckende siebzehnjährige Klara mit den entsprechenden Träumen. Außerdem steckt sie ihr hübsches Näschen gern in schlaue Bücher, was zu ebenso hübsch naseweisen Kommentaren zu den elterlichen Geographiekenntnissen und Erziehungsbemühungen führt.
Dass zwei kleine Italiener mit zweifelhafter krimineller Energie die Autobahn (hinreißend bewegtes Bühnenbild!) unsicher machen, führt zu diversen kleinen Pannen. Der schöne Luigi Lombardi (als sympathischer Latin Lover: Gerd Achilles) landet schon kurz vor Frankfurt auf Elmars Rückbank und verdreht spätestens, wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt, der kecken Klara endgültig den blonden Bubikopf. Der zwielichtige Glatzkopf Carlo Campanelli (sehr komisch: Alex Friese) macht sich mit der Brechstange an Elmars geheimnisvollem Kofferraum zu schaffen und bringt Oma mit einem „Ich küsse Ihre Hand, Madame“ nur kurz aus der Fassung.
Jenseits der Alpen haben sich die Damen jedenfalls schon so italienisch schick gemacht (Kostüme: Anja Saafan/Sibylle Schulze), dass selbst Günthers deutsches Urlaubs-Outfit verzeihlich wird. Und weil irgendwo in Sizilien der Mafiaboss Don Canneloni zufällig hinter schwedische Gardinen wandert, ist das Happy End programmiert. Das beste aller Wunder ist jedoch: Das ganze Ensemble singt live ohne Mikros und tanzt mit fabelhaftem Schwung (Choreographie: Simon Eichenberger, Neueinstudierung: Alex Friese) in den schönsten Tag, den eine generationenübergreifende Urlaubsreise in den nahen Süden überhaupt bieten kann. Umweltfreundlich motorisiert mit viel Sprachwitz und musikalischem Esprit. Mitfahren ist noch bis zum 25. Oktober möglich. Fest versprochen: Elmars manchmal ironisch zwinkernde Scheinwerfer halten jeden Highway to Hell locker durch.
Vom 15. bis 27. September muss Elmar allerdings zugunsten von Elvis kurz in die Garage. Während seiner Verschnaufpause wird der Schauspieler Philippe Roussel als kleiner Finanzbeamter Jürgen Appelhans wieder unverdrossen die Pailletten an dem tollsten Elvis-Kostüm aller Zeiten festnähen und in der nachdenklichen Komödie Das Kostüm von Gunther Beth anrührend aus seinem Leben als Star-Imitator plaudern. Wer seinen durch einen leider sehr realen Bühnenunfall in der vergangenen Spielzeit gestoppten fiktiven großen Auftritt im Contra-Kreis verpasst hat (s. kultur 56), erhält glücklicherweise eine neue Chance. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2¼ Std., eine Pause
Im Programm bis: 25.10.09
Nächste Vorstellungen: ab 29.09. tgl. außer Mo.

Dienstag, 02.02.2010

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