Wer hat Angst vor Virginia Woolf...? - kultur 45 - März 2008

Brillanter Ehekrieg - Wer hat Angst vor Virginia Woolf...? von Edward Albee in den Kammerspielen

Um es gleich vorweg zu sagen: Dreieinhalb Stunden Ehekrieg erfordern starke Nerven und ein stabiles Durchhaltevermögen. Der Regisseur Christoph Roos inszeniert die lange Nacht der messerscharfen Wortgefechte im akademischen Wolfsrudel nämlich fast in Echtzeit. Gegen dieses brutale Spiel mit den menschlichen Verletzlichkeiten sieht jeder „Gott des Gemetzels“ reichlich blass aus. Man spielt mit liebevollem Hass und steigendem Alkoholpegel alle archaischen Rituale durch: Hausherrendemütigung, Gästefalle, Hausfrauenschändung, Kindstötung.
In Edward Albees berühmtestem Drama Wer hat Angst vor Virginia Woolf? (das 1962 in New York uraufgeführte Werk des 1928 geborenen amerikanischen Autors ist sein einziges, das zum weltweiten Repertoire-Klassiker der Moderne avancierte) feiern die beiden Paare ihr Schlachtfest als Gesellschaftsspiel. Sie führen sich mit böser Lust vor; jeder Hieb ist präzise kalkuliert und fordert neue heraus. Sie wollen gesehen werden, wenn sie in ihren Wunden wühlen und sich die Masken herunterreißen.
Auf dem Schachbrett der sozialen Positionen und erkalteten Gefühle hat jeder aus dem unseligen Quartett seinen klaren Platz. Bühnenbildner Peter Scior bereitet den vier Figuren einen eleganten Ort für ihre Schaukämpfe: Schicker Bungalow mit viel Glas und üppigem Grünzeug im Hintergrund, große Terrasse mit welkenden Kakteen, sommerlichem Mobiliar und Balustraden für geleerte Whisky-Gläser. Man lebt offensichtlich nicht schlecht auf dem College-Campus von Neu-Karthago, wenn Marthas mächtiger Vater dort regiert und seine lehrenden und forschenden Schäfchen an der kurzen Leine seiner reichen Sponsoren hält.
Die Kronprinzessin seines Imperiums ist seine Tochter Martha, die den sechs Jahre jüngeren Geschichtsprofessor George heiratete, um den Glanz der Familie zu erhalten. Anke Zillich ist die herrschsüchtige, frustrierte, versoffene alte Martha und anfangs die Dominante in dem Konzert. Sie ist elegant und hoffnungslos ordinär, sie ist angriffslustig und lasziv, sie beißt und schnurrt und tobt mit atemberaubender körperlicher Präsenz durch die Abgründe des Hexensabbats. Bernd Braun ist der intellektuelle Dickschädel George, der seiner Gattin scheinbar willig als Zielscheibe für ihre Giftpfeile dient, dabei aus dem Hinterhalt seine Angriffe sorgfältig plant und das Spiel zunehmend selbst in die Hand nimmt. Die beiden sind absolute Profis im Eheduell: perfekt eingespielt und immer auf der Lauer nach den kleinen Abwehrfehlern des Partners.
Die beiden Gäste sind hier mehr als nur Stichwortgeber für die zelebrierten Hasstiraden der Älteren. Helge Tramsen spielt den jungen ehrgeizigen Biologieprofessor Nick, der sich mit wachsender Wut auf Georges ironische Strategien und Marthas erotische Avancen einlässt und sich dabei selbst als opportunistischer Kleingeist entlarvt. Xenia Snagowski macht aus seiner naiven hysterischen Gattin Putzi ein darstellerisches Kabinettstück: Eine gestiefelte Amazone des sozialen Aufstiegs im kessen Minikleidchen (Kostüme von Sigrid Trebing!) mit Hang zur Cognacflasche und anschließenden Kotzorgien im Bad. Ein egozentrisches Kind, das nicht erwachsen werden kann und mit dem Wolf tanzt.
Ein Kind konnten Martha und George nicht bekommen. Ihr nie geborener Sohn ist die große Illusion ihres Lebens. Er wird den Abend nicht überleben. Aber die zärtliche Hassliebe zwischen seinen Eltern ist unsterblich. Christoph Roos nimmt den schauerlich sanften Schluss des Psychothrillers ernst. Und er setzt auf ein grandioses Schauspielerquartett, das es sich leisten kann, gleich auf einem gefährlich hohen Spannungsniveau zu beginnen. Alle vier halten den Bogen mit geradezu teuflischer Intensität. Mit ihnen können dreieinhalb Stunden Hölle verdammt kurzweilig sein. Edward Albee, der am 12. März seinen 80. Geburtstag feiert, trifft mit Wer hat Angst vor Virginia Woolf…? fraglos immer noch einen empfindlichen Nerv. Hervorragend! E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 3 ½ Std., eine Pause
Im Programm bis: ???
Nächste Vorstellung: 2.03.08

Sonntagsmatinée zu Stück und Inszenierung in Zusammenarbeit mit der Theatergemeinde am 2. März um 11.00 Uhr im Foyer der Kammerspiele.

Dienstag, 12.08.2008

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