Der keusche Lebemann - kultur 44 - Februar 2008

Muntere Doppelmoral - Der keusche Lebemann von Arnold und Bach im Kleinen Theater

Lebemänner genießen das Leben. Über Lebedamen schweigen sie lieber. Zu unserem aktuellen Wortschatz gehört beides nicht mehr. Der Schwank Der keusche Lebemann des brillanten Autorenduos Franz Arnold und Ernst Bach, das die Theaterwelt zu Beginn des 20.Jahrhunderts mit vielen köstlichen Lustspielen beglückte, wurde 1921 am Münchner Volkstheater uraufgeführt. Die Golden Twenties lässt Gert Becker in seiner witzig überdrehten Inszenierung fröhlich wieder auferstehen. Bürgerliche Doppelmoral, Bigotterie, Emanzipation per Bubikopf und die Anfänge der skandalträchtigen Medienhypes – all das wird hübsch präsent im Seiboldschen Salon, den Bühnenbildner Frank Joseph lustvoll ausgestattet hat (inkl. üppigem Rubens an der Wand und altem Grammophon als Hausaltar). Die historischen Kostüme von Kara Schutte lassen keine Wünsche offen bis hin zum entzückend offenherzigen Dekolleté des schnippischen Hausmädchens Anna (Fabienne Hesse). Papa Seibolds geschäftliche Besprechungen dauern oft bis zum frühen Morgen, was seine Gattin Regina (Ursula B. Kannegießer) zu Recht an seiner ehelichen Treue zweifeln lässt. Mike Reichenbach spielt den alten Schwerenöter als groteske Karikatur eines neureichen Fabrikanten. Nichts ist erotischer als das Geld, und das soll in der Familie bleiben. Sein Kompagnon Max Stieglitz taugt zwar als Buchhalter, ist jedoch das Gegenteil eines Frauenschwarms. Stephan A. Toelle ist mit schütterem Haar, Hochwasserhosen, viel zu enger Weste, keuschem Lebenswandel und absolut frei von Manieren Seibolds Wunsch-Schwiegersohn.
Töchterchen Gertie (kess und naiv: Susanna Mucha) ist jedoch im fernen Berlin auf den Geschmack gekommen, lässt sich vom schönen Heinz im offenen Horch ins heimatliche Provinznest chauffieren und will unbedingt einen erfahrenen Lebemann als Lebensgefährten. Also verpasst der schlaue Papa dem braven Max eine pikante Vergangenheit. Die heißt Ria Rey und ist ein Filmstar. Plötzlich ist Max Hahn im Korb und begehrtes Klatschobjekt. Fast hätte ihm zwar Rias aktueller Lover (Matthias Kiel) noch eifersüchtig eine Kugel in die stolzgeschwellte Hühnerbrust gejagt, aber an der landet dann doch Gerties goldenes Herzchen. Und Regine greift zum Nudelholz…
Die schräge Spielweise lässt keinen Zweifel daran, dass hier komische Kunstfiguren am Werk sind. Um erschwindeltes Leben geht es schließlich in diesem heiteren Schwank. E.E.K.

Das Stück war nur bis zum 15.Januar auf dem Spielplan.

Donnerstag, 07.08.2008

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