Hundert Jahre Einsamkeit - kultur 32 - Dezember 2006

Pralles Erzähltheater - Hundert Jahre Einsamkeit im Ballsaal

In der Spielzeit 2003/04 hatte sich Kresniks Choreographisches Theater Bonn bereits an den großen Roman des kolumbianischen Literatur-Nobelpreisträgers Gabriel García Márquez herangewagt. Das Fringe-Ensemble hat in diesem Herbst die Reise in das literarische Universum von Macondo und der Familiengeschichte der Buendías unternommen und damit seine Dramatisierungen großer Erzählungen fortgesetzt. Regisseur Frank Heuel lässt seine fünf Schauspieler (David Fischer, Georg Lennartz, Bettina Marugg, Laila Nielsen, Harald Redmer) in den riesigen narrativen Fluss mit all seinen Stromschnellen und skurril mäandernden Seitenarmen springen und trotz aller hintergründigen Ironie und verrückten Figurenwechsel das ganze Personal der Hundert Jahre Einsamkeit lebendig werden. Es ist mehr als eine mit zahllosen, spielerischen Signalen präzise rhythmisierte Sprechoper, es evoziert ohne allen illustrativen Naturalismus allein aus der Bewegung der Wörter und Körper magische Bilder und seltsam in sich versponnene Menschen. Von der Urmutter Ursula über mehrere Generationen von Arcadios und Aurelianos entwickelt sich in fantastischen Zeit- und Seitensprüngen aus den (übrigens szenisch glänzend beherrschten) Textmassen ein Jahrhundert-Panorama der lateinamerikanischen Geschichte. Ästhetisch subtil, leise und mit dem Mut zur Entschleunigung. Viereinhalb Stunden Lebenszeit mit zwei Pausen (mit entsprechenden kulinarischen Stärkungen) muss man dafür schon investieren, es lohnt sich aber.
Das Fringe-Ensemble und die Tanzcompany Cocoon-Dance müssen sich Ende November erst mal bis kurz nach Karneval aus dem Ballsaal verabschieden, damit dort feste gefeiert werden kann. Dauerparty ist politisch angesagt und gewiss einfacher zu genießen als „100 Jahre Einsamkeit“. E.E.-K.

Mittwoch, 31.01.2007

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