Schumanns Nacht - kultur 32 - Dezember 2006

Requiem aus dem Schattenreich der Romantik - Schumanns Nacht von Sven Holm im Euro Theater Central

Es ist trotz der historischen Figuren kein Dokumentardrama über die letzten Lebensjahre des Komponisten Robert Schumann, der vor 150 Jahren in Bonn starb. Auch kein indiskreter Schlüssellochblick auf verworrene Beziehungen, wie Clara Schumanns rätselhaftes Verhältnis zu Johannes Brahms. Es geht um den Selbstverlust eines Menschen. Der dänische Autor Sven Holm, der zur deutschen Erstaufführung seines Stückes Schumanns Nacht selbst nach Bonn angereist war, hat poetische Bilder von der Schmerz- und Schattenseite eines Lebens in der Musik erfunden, flirrend zwischen gespenstischer Groteske und hilfloser Verzweiflung. Bernd Kretschmer, der rührige Leiter des Dänischen Kulturinstituts in Bonn, hat das Werk nicht nur eigens für das Euro Theater übersetzt, sondern auch mit viel persönlichem Engagement erreicht, dass es zur Eröffnung des Festivals Endenicher Herbst seine Premiere feiern konnte. Ein origineller und gelungener europäischer nordsüdlicher Brückenschlag! Übrigens auch einer von Ost nach West: Der Regisseur Istvan Szabó K. leitet inzwischen als einer der jüngsten Intendanten seines Heimatlandes das ungarische Theater im rumänischen Temesvár.
Im schönen, klaren Bühnenbild von Bernhard Kremser lässt er den grausamen ‚Seelenschlaf' Schumanns schon ahnen. Aus einem Bett sprießen silberweiße Blumen, als wär's ein Grab. Ein Metronom tickt unerbittlich. Schumann kauert zusammengesunken am Fußende des Bettes. Clara gleitet langsam vor dem riesigen Zifferblatt im Hintergrund vorbei wie die Figur eines mittelalterlichen Totentanzes. Johannes K. Prill spielt den Träumer und Liebenden, den geistreichen Intellektuellen und melancholischen Tondichter, dem seine Klangwelt (die Tonspur aus Schumanns Werken verdient ein Sonderlob!) zerfällt. In die Arme seiner Frau (Doris Lehner als trotz aller Stärke sehr verletzliche Clara, zerrissen zwischen weiblicher Hingabe und selbstbewusstem Künstlertum) flüchtet er wie ein Ertrinkender. Die stürmische Verehrung des jungen Johannes Brahms (Daniel Andone mit wehender Künstlermähne, kühner Eroberungslust und feiner Sensibilität für die Schmerzensbeziehung von Robert und Clara) und des Geigers Joseph Joachim (Philip Schlomm als keck naives Wunderkind) gibt ihm Auftrieb und macht ihm gleichzeitig Angst.
Die schneidend kalte Ironie seines Lehrers und Schwiegervaters Friedrich Wieck stürzt ihn in die Wellen der Depression. Der 84-jährige Hermann Kurtenbach macht aus dem strengen Klavierpädagogen eine auch sprachlich virtuose Studie über die erstarrte Rationalität seiner Epoche. Er muss verletzen, weil ihn der Karrierebruch seiner vergötterten Tochter selbst verwundet hat. Roberts existenzielle Wunde ist da schon nicht mehr zu heilen. Gefeuert als Musikdirektor in Düsseldorf und heimgesucht von animalischen Karnevalsmasken, springt er am Rosenmontag 1854 in den Rhein und wird in eine psychiatrische Privatklinik in Endenich gebracht. Julianna Viczián, in den Düsseldorfer Episoden das verhuschte Hausmädchen, ist dort als Krankenpflegerin sein sanft energischer Schutzengel. Wie Prill Schumanns Ende zwischen Hellsicht und dumpfer Verwirrung verkörpert, lallend Wörter aus seinem Mund presst und in den Armen von Clara und Brahms langsam verdämmert, ist ebenso anrührend wie grausam absurd. Eine unbedingt sehens- und hörenswerte Aufführung! E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 1 3/4 Std. mit Pause

Donnerstag, 25.01.2007

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