Still here? Still hier! It´s Wonderful (Malersaal) - kultur 41 - November 2007

Wundervolle Selbstbehauptung -
Still here? Still hier! It´s Wonderful im Malersaal (Uraufführung)

Man müsste sie alle eigentlich einzeln nennen, die Tänzerinnen und Tänzer des Choreographischen Theaters Johann Kresnik, die hier mutig und mit viel Selbstironie gegen die Abwicklung der Tanzsparte in Bonn ein Zeichen setzen. Sie sind „still here“ und überhaupt nicht still: „It's wonderful“! Dafür haben sie sich Susanne Linke, eine der wichtigsten deutschen Choreographinnen und international führenden Tanzpersönlichkeiten, ins Boot geholt. Kresnik, der sie seit Jahrzehnten kennt und wie einige seiner Ensemblemitglieder auch schon öfter mit ihr zusammenarbeitete, hatte sie bereits 2005 für eine Produktion nach Bonn eingeladen. Die Theaterleitung lud sie wieder aus, weil sie angeblich dasselbe mache wie Kresnik.
Welch anderes Tanzvokabular sie verwendet, beweist die mittlerweile 63-jährige Susanne Linke, die im April dieses Jahres mit dem Deutschen Tanzpreis ausgezeichnet wurde, in ihrem neuen Stück Still here? Still hier! It's wonderful.
„Profilieren - evaluieren - abservieren“: Sie spart nicht mit bitteren Poin­ten, spielt witzig und frech mit dem Jargon der zeitgenössischen Tanzwissenschaft und der Marketingexperten, die Bewegung in verkrusteten Betriebsstrukturen proklamieren und von der kinästhetischen Energie des Tanzes palavern.
Auf der von luftigen Sommernachtstraum-Wolken umgebenen Bühne (Thomas Richter-Forgách) zitiert Linke Peter Brooks leeren Raum als „erübrigten“ herbei und das säkulare Diskursangebot des „Gerichtstages“. Auf schwarzen Tischen wird angerichtet und zum Gastmahl geladen, während die apokalyptischen Reiter des Big Business ihre Handys und Schreibblöcke zücken, um auszusortieren: Exkommunikation als kommunikative Leistung der globalisierten Networker, die sich die Mobilität auf die Designerfähnchen (Kostüme: Rupert Franzen) geschrieben haben.
Anfangs trainieren sie, als ob es die große Konfusion gar nicht gäbe. Sie arbeiten in der Gruppe, konkurrieren dann einzeln um die Gunst der strengen Gutachter und müssen sich damit abfinden: „Keiner gehört zu den Erwählten“. Linke macht daraus kein Lamento, sondern ein wunderbar leichtes, hellsichtiges, geradezu heiteres Spiel mit den Enttäuschungen und der Ratlosigkeit der Tanzwütigen. Ab und zu geistert eine „gebrochene Muse“ mit voluminösem weißem Rüschenrock durch die Gerüste am Bühnenrand. Eine Pop-Ikone in schwarzem Lack triumphiert auf dem Richtertisch als „disseminierter Engel“. Die ganz praktisch und prall lebendig aufs Tapet gebrachte Bewegung wird phänomenologisch, strukturalistisch, positivistisch und tanzhistorisch verhandelt, bis die ästhetische Theorie selbst zum Tanz auf dem Wörtervulkan wird. Und sich alle am Ende zum „letzten Ma(h)l“ versammeln: Leonardos Meisterwerk als großes Kino zum Film-„Still“ eingefroren. Zur „(Ver)Kündigung“ gibt's­ Champagner und einen leise stürmischen Abschied ins Ungewisse mit Shakespeares Prospero: „Be free, and fare thou well!“.
Sinnliches und intelligentes Tanztheater, das man nicht versäumen sollte! E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 50 Min. keine Pause
Im Programm bis: 10.11.07

Dienstag, 08.01.2008

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