Die Zähmung der Widerspenstigen - kultur 41 - Oktober 2007

Kiss me oder die Banalität des Geschlechterkampfes - Die Zähmung der Widerspenstigen von William Shakespeare in der Werkstatt

Es klingt fast wie das Gegenstück zu Medeas rigorosem Aufbegehren gegen die Männerherrschaft, wenn Katharina am Ende verkündet: „Drum senkt die Flagge, denn nur eins bringt Segen: Die Hand dem Mann unter den Fuß zu legen.“ Hoppla: „Die Frau im Zorn ist wie ein Quell im Schlamm, versumpft und brackig, schal und ohne Schönheit…. Dein Mann, das ist dein Herr, dein Leben, dein Ernährer, ist dein Haupt, dein Fürst, der für dich sorgt…“ Ist da eine auf der Suche nach Eva Hermans Mutterkreuz völlig durchgeknallt?
Bei Feministinnen erfreut sich Shakespeares frühe Komödie Die Zähmung der Widerspenstigen keiner großen Beliebtheit. Die Zurichtung einer Frau durch Nahrungs- und Kleidungsentzug, durch sadistische Wortverdrehungsfolter, Psychoterror und scheinbare Fürsorglichkeit - kann man das heute noch allen Ernstes auf die Bühne bringen? Michael Helle, der kurzfristig die Regie übernommen hat, beweist glänzend, welch bitterbösen Spaß man sich aus diesem Stück machen kann. Statt des versoffenen Tölpels Schlau taucht im Vorspiel ein quicklebendiger kleiner Hund auf, mit dem Katharina auf Augenhöhe geht und ihn spielerisch ankläfft. Sie wird mit dem brutalen Petruchio, der sie an die eheliche Leine legt, auf Augenhöhe bleiben. Sie wird ihre hündische Unterwerfung spielen und genau deshalb am Ende triumphieren.
Als Bühne reicht dafür ein fast leerer weißer Raum (konzipiert vom Regisseur selbst), möbliert mit drei alten roten Kinosesseln, einem Kühlschrank und ein paar grünen Bierkisten, weil Shakespeare sich so hübsch auf Becksbier reimt. Das steht zwar nicht in Frank Günthers moderner, witzig zugespitzter Übersetzung, die Helle noch mal klug eingedampft hat zugunsten einer raffinierten Körpersprache, die Handgreiflichkeiten nicht ausschließt. Das spielfreudige Ensemble lässt sich nicht lumpen, füllt Shakes­peares imaginäres Padua mit südlichem Temperament und tauscht mit der Dienerschaft die Kleider (schöne heutige Kostüme von Beatrice von Bomhard), bis keiner mehr weiß, wer hier eigentlich Herr oder Knecht ist.
Nicole Kerstens Katharina hat nicht nur Haare auf den Zähnen, eine verdammt lockere Zunge und eine Schlagfertigkeit, die sich keineswegs auf verbale Positionskämpfe beschränkt. Sie hat eine Wut im Bauch auf die albernen Männlein, die ihr sanftes Schwesterchen Bianca (Jessica Higgins) umturteln. Sie ist empört über ihren reichen Papa Baptista (Wolfgang Jaroschka), der seine Töchter an die Meistbietenden verhökern will, und legt Bianca ziemlich unsanft die Fesseln an, mit denen diese dumme Göre ja sowieso im Ehehafen landen wird. Katharina braucht also einen Mann, der ihre Widerborstigkeit begreift. Ralf Drexlers Petruchio besitzt nicht nur die entsprechende Lebensklugheit, sondern auch die kühne Unverschämtheit zur Bändigung dieses Wildfangs. Wobei eine ordentliche Mitgift durchaus kein schlechter Ansporn ist.
Biancas Galane Hortensio (mit lässigem Mafia-Charme: Daniel Wiemer) und Gremio (herrlich komisch mit Goldkettchen behängt und Wahlkampf-Grinsen: Stefan Preiss) müssen vor dem schlauen Lucentio (blendend gut: Hendrik Richter) die Segel streichen. Der bringt nämlich seine treuen Diener Tranio (Volker Muthmann) und Biondello (Günter Alt) ins Spiel, und wer da wen umgarnt, ist eigentlich egal. Hortensio kriegt jedenfalls eine betuchte Witwe (bei der Premiere eingesprungen: Birte Schrein). Und die Weiber tanzen ihren Angetrauten auf der Nase herum, während zusammenkommt, was zusammengehört. Klar hat Petruchio seiner Katharina übel mitgespielt, sie bei der Hochzeit öffentlich im Regen stehen lassen, sie schlimm beleidigt und gedemütigt, ihren Brautschleier gegen einen weißen Motorradhelm getauscht, sie hungern und frieren lassen. Aber sie hat all dem Stand gehalten und ihrem Kerl mit weiblichem Stolz eins auf die Mütze gegeben. Dafür braucht's nicht mal einen ironischen Zeigefinger.
Merke: Brave Mädchen kommen übers Ehe-Fegefeuer mit Schrammen an der Haut (die Pflaster an Biancas Beinen sind deutlich) in den Himmel. Böse Mädchen kommen - mit ein paar unvermeidlichen tieferen Wunden - überall hin. Die Schlacht geht weiter, und Katharina bleibt hellwach auf ihrem Posten. Und Küsse reimen sich immer noch auf Bisse. Karten für diese großartige Aufführung sind deshalb rar. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 100 Min. ohne Pause
Im Programm bis: ???

Dienstag, 08.01.2008

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