Die kleine Meerjungfrau - kultur 42 - Dezember 2007

Wundervolle Wasserwelt - Die kleine Meerjungfrau von Hans Christian Andersen in den Kammerspielen

Traumschiff Theater: Am großen Bullauge schwimmen bunte Fische vorbei, eine dreiköpfige Band (musikalische Leitung: Martin Erdmann) spielt auf, und dann sind wir auf dem tiefblauen Meeresgrund gelandet, wo sich Seeanemonen, Korallen und ab und zu ein Seepferdchen in den Wellen wiegen, ein rosa Hummer seine Scheren wetzt und ein Rochen, der wohl von einem fliegenden Teppich abstammt, leise vor sich hin pulsiert, während im Hintergrund per Video der ganze Ozean leuchtet. Die Bühne von Franziska Rast ist eine phantastische Augenweide. Ihre Schwester Christina Rast hat die musikalische Märchenreise nach der berühmten Geschichte von Hans Christian Andersen in den Kammerspielen mit viel Witz und üppigem sinnlichem Bühnenzauber inszeniert.
Eigentlich gibt’s nichts Schöneres, als sich in dieser herrlichen Unterwasserwelt zu tummeln. Die kleine Meerjungfrau schwebt fröhlich lachend und Saltos drehend in den Palast ihres Vaters, des Meerkönigs. Die zierliche Sinead Kennedy, die bereits als kecke Luise in Kästners Doppeltem Lottchen entzückte, scheint für die Rolle der kleinen Meerjungfrau geradezu geschaffen zu sein. Die ausgebildete Tänzerin ist mit grünen Haaren und schillerndem Fischschwanz (wunderschöne Kostüme von Charlotte Sonja Willi) eine fabelhaft quirlige, verführerische Nixe, aber auch ein eigenwilliges kleines Mädchen. Sie spielt den kindlichen Erfahrungsdrang und die aufkeimende weibliche Sehnsucht mit wunderbarer Präsenz. Papa Meerkönig (sympathisch griesgrämig: Ralf Drexler, der an Land auch als versoffener Kapitän gute Figur macht) ­hat’s mit seinem aufgeweckten Töchterchen nicht leicht und verzieht sich deshalb am liebsten in sein großes Muschelbett: „Ich habe Muräne.“ Die kleine Meerjungfrau möchte nämlich die Welt kennenlernen und wissen, was man mit Schuhen macht und wie sich warmer Sonnenschein anfühlt.
Den jungen Prinzen aus der Menschenwelt zieht es dagegen zur Freiheit der Weltmeere. Volker Muthmann mit rotem Lockenschopf und jungenhaftem Charme spielt den liebenswürdigen Kindskopf, der die höfischen Regeln ebenso satt hat wie den skurrilen Oberdiener Oskar (Peter Nitzsche) und ausbüchst. Ganz leicht ist das Anheuern als Schiffsjunge für einen verwöhnten Prinzen nicht und wird hier zu einem sehr komischen, aber ziemlich langen Slapstick, hinter dem der Fluch der Karibik zu ahnen ist. Der Dampfer mit dem Prinzen an Bord scheint jedenfalls nicht besonders seetüchtig zu sein und geht gleich beim ersten Sturm unter. Wenn nicht gerade noch rechtzeitig die kleine Meerjungfrau vorbeigeschwommen wäre, hätte der Prinz wohl als Haifischfutter geendet. Sie schafft ihn an Land, aber kaum hat er sie gesehen, spaziert schon eine Menschenprinzessin im rosa Kleidchen (Lisa Tzschirner) über den goldgelben Strand. Eigentlich interessiert sie sich nur für ihr Chinesisch-Lehrbuch. Doch der Prinz hält jetzt Prinzessin ‚Sinologie’ für seine Retterin. Und die kleine Meerjungfrau will unbedingt ein Mensch werden…
Klar, dass der ängstliche Zitteraal (Sebastian von Koch) vor Schreck fast unter Starkstrom gerät und dass dem aufgeblasenen Meeresminister Kugelfisch (Stefan Preiss) fast die Luft weg bleibt, als sie den Skandal begreifen: Die Meerjungfrau hat sich verliebt! In einen Zweifüßler! Sie will Beine haben und laufen, statt wie anständige Meerwesen herumzuschwimmen! Papa Meerkönig versteht den Ozean nicht mehr und verbietet alles, was ihm unter die Flossen kommt.
Aber die schlaue kleine Meerjungfrau taucht ab zur schrecklichen Meerhexe (schauerlich-schön als Riesenkrake: Nina Vodop’yanova), die ihr zwar hübsche Beine verschafft, aber zur Belohnung ihre Stimme verlangt. Gehen und stehen ist schmerzhaft und schwer für eine an die Schwerelosigkeit gewöhnte Meerjungfrau. Doch vor allem kann sie dem geliebten Prinzen nichts mehr sagen. Sinead Kennedy spielt das stumme Leiden der Meerjungfrau in der fremden Menschenwelt sehr anrührend.
Zu allem Überfluss will der Prinz seine angebliche Retterin heiraten. Dabei passen der lustige Junge und das kurzsichtige Mädchen doch gar nicht zusammen! Deshalb bekommt die kleine Meerjungfrau schließlich doch ihre Stimme wieder. Und darum gibt es in dieser pfiffigen dramatischen Bearbeitung des alten Märchens einen fröhlichen Schluss. Gespielt und gesungen wird mit überschäumender Lust, zahllose hübsche sprachliche und spielerische Gags machen die turbulente Geschichte zu einem bezaubernden Vergnügen für die ganze Familie. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 Std., inkl. Pause
Im Programm bis: ??.??.08
Für alle ab 5-6 Jahren geeignet.

Dienstag, 05.02.2008

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