Zehle, Sibylle: Minna Wagner

kultur Nr. 20 - Oktober 2005

Spurensuche? Nach wem? Nach Minna Wagner? Wer ist das? Richard Wagners Frau? Das war doch Cosima - und die Lieder für Minna Wesendonck? Das war eine andere Minna - Minna Plauer also, mit ihr war Richard Wagner 30 Jahre verheiratet, während der Ehe mit ihr hat Wagner alle seine Opern mindestens konzipiert. Sie hatten keine Kinder und in der riesigen Wagner-Literatur wird Minna meistens abgewertet oder gänzlich unterschlagen. 30 Jahre - bis zu ihrem Tod - waren sie ein Ehepaar, wenn auch nicht durchgängig ein Paar. Er betrog sie, er verließ sie, er zerstörte sie, sie liebten und sie hassten einander, er brauchte sie, auch als er sie nicht mehr begehrte. Sie folgte ihm, bis sie daran zerbrach, an der Heimat- und Ruhelosigkeit, an der Einsamkeit und dem Verlust ihrer eigenen Träume. Sie war eine schöne junge Schauspielerin, als sie einander 1833 in Bad Lauchstädt begegneten, wo sie in dem kleinen Theater, das Goethe erbauen ließ, die ‘Königin Christine’ spielte.
Minna hat Wagners Elend geteilt, nicht sein Glück. Keiner Frau hat er mehr geschrieben als ihr, er brauchte sie, sie ‘erdete’ ihn, sie liebte den Mann, nicht das Genie. Sie hungerte mit ihm, sie zog mit ihm von Ort zu Ort, immer wieder, er auf der Flucht oder versunken in seine Egomanie, sie gab ihm Halt und ihre eigene Karriere für ihn auf, fast sich selbst gab sie auf... Er dankte es ihr selten, und als er später Cosima ‘Mein Leben’ diktierte, mochte er kaum noch zugeben, wie lebenswichtig sie für ihn gewesen war - damals, als alles begann und jahrzehntelang.
Die Spurensuche führt von Zürich bis Königsberg, von Paris bis Riga - und immer wieder nach Sachsen. Die künstliche Welt Wahnfrieds - von Cosima stilisiert - bleibt hier außen vor, aber Minna Wagner wird in diesem Buch zurecht der Vergessenheit entrissen.

Sibylle Zehle:
Minna Wagner - Eine Spurensuche,
Hoffmann & Campe,
gebunden,
März 2004,
573 S.,
24,90 €.

Donnerstag, 19.01.2012

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