Subercaseaux, Elizabeth: Eine fast perfekte Affäre

kultur 65 – April 2010

Elizabeth Subercaseaux ist eine Ur-Ur-Enkelin von Robert und Clara Schumann. Dies ist ihr zweiter Roman, der auf deutsch erscheint. Er ist elegant und ungewöhnlich. Zu Beginn schaut jemand aus dem 9. Stock eines Hauses (und der Leser mit ihm) und sieht, wie ein Mann unter dem Zaun des Golfplatzes gegenüber hervorkriecht. Es ist ein bekannter Mann, ein Richter, er wird sofort identifiziert. Als wenig später auf dem Golfplatz die Leiche einer Frau gefunden wird, ist dem zufälligen Zeugen klar, wer sie erschossen hat. Zur Polizei gehen und sein Wissen mitteilen? Der Fall wäre kein Fall... aber: Er ist Journalist, verheiratet und hat Kinder --- und er ist schwul! Er kann sich nicht outen, ohne seine Existenz zu gefährden, seine Ehe, sein Renommee. Der geliebte Partner ist ein bekannter Fernsehstar, der Ehemann der Toten ein einflussreicher Industrieller.
Das klingt nun alles wirklich wie eine Soap aus dem Vorabendprogramm, wenn nicht Teresa wäre, die Freundin der Toten, der sie einen Brief geschrieben hat, der diese zur Recherche treibt: Wer war der ungenannte Liebhaber, mit dem sie sechs Jahre lang eine „fast perfekte“ Affäre hatte, und wer der junge Mann, dessentwegen sie sie beenden wollte? Die Spannung entsteht durch die Gewissensqualen der einzelnen Personen, die sich treffen, verdächtigen, durch deren innere Unruhe und Verzweiflung, das Suchen nach der Wahrheit und das Verschweigen ihrer eigenen Lebenslügen. Dies alles lässt deutlich werden, dass kaum etwas oder jemand so ist, wie er oder es zu sein scheint.
Es ist, so kam mir spontan in den Sinn, als ich nach einem Wort suchte, ein „moderner“ Roman, kein Krimi, obwohl zu Anfang ein Mord geschieht, und er ist außerordentlich gut geschrieben (und aus dem Spanischen übersetzt), eine menschlich-allzumenschliche Tragödie, zeitlos und immer wieder neu. Es gibt halt keine ganz perfekten Affären...

Eine fast perfekte Affäre
von Elizabeth Subercaseaux,
Pendo, Februar 2010,
222 Seiten, gebunden, 17,95 €.

Donnerstag, 19.01.2012

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