Schlink, Bernhard: Das Wochenende

kultur Nr. 50 - 10/2008

Ein neuer Schlink! Ich wage die Voraussage, dass er heftige Diskussionen auslösen wird. Schlink ist seit dem Vorleser für jegliche Aufmerksamkeit gut. Und nun bei dem Thema! Es klingt ja ganz unverfänglich, das Wochenende, nicht wahr? Man kann sich alles, vieles oder nichts darunter vorstellen. Und warum dann die vermutlichen Diskussionen? Weil es bei diesem Wochenende um das Treffen alter Freunde geht – aber auch das wäre ja nicht unbedingt ein Grund für Diskussionen.
Es geht um einen nach 23 Jahren begnadigten RAF-Terroristen, dessen Schwester zur Begrüßung alle alten Freunde eingeladen hat zu einem Wochenende in ihrem Haus. Sie sind alle mittlerweile etabliert, bürgerlich, sesshaft geworden, haben Berufe und Erfolg damit, sind verheiratet oder nicht oder nicht mehr, haben gelebt. Und nun kommt Jörg überraschend frei. Er bereut nicht, was er getan hat, 4 Morde und x Banküberfälle und und und.
Die Vergangenheit wird lebendig. Die Freunde sind wahrscheinlich keine mehr, sie sind sich doch sehr fremd geworden. Wie soll man auch mit einem sprechen, der über 20 Jahre im Gefängnis war, eingesperrt, weg von allem, was sich getan hat seit der wilden Jugend? Und wer hat ihn eigentlich damals verraten an die Polizei, so dass er überhaupt festgenommen werden konnte?
Glauben Sie mir jetzt die vermutlich heftigen Diskussionen? (Der Bundespräsident hat übrigens keinen Namen.) Es ist ein Roman, ein brisanter, ein nicht sehr dickes Buch, ein Stück deutscher – nachkriegsdeutscher – Vergangenheit, keineswegs bewältigt, und auch Herr Schlink hilft nicht wirklich dabei. Wenn Sie es lesen, werden Sie wie ich lange nachdenken dabei und ganz schnell jemanden suchen, mit dem Sie darüber reden können. Eigentlich sollten Bücher doch so sein, oder?

Das Wochenende,
Roman von Bernhard Schlink,
Diogenes Verlag, gebunden,
März 2008, 240 S., 18,90 €.

Mittwoch, 05.01.2011

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