Oz, Amos: Eine Geschichte von Liebe und Finsternis

kultur Nr. 14 - 2/2005

Amos Oz, heute einer der international bekanntesten israelischen Schriftsteller, wurde 1939 in Jerusalem geboren als Amos Klausner, erst später nahm er den Namen Oz an, der hebräisch "Kraft" bedeutet.
Seine Eltern waren mit ihren Eltern aus Osteuropa eingewandert in das "Gelobte Land". Sie sprachen miteinander russisch, wenn das Kind - ihr einziges - nicht mithören sollte. Der Vater sprach noch 17 andere Sprachen, konnte aber als der schüchterne und etwas versponnene Gelehrte keinen Fuß fassen in einer Welt, die im Aufbau war und im ständigen Überlebenskampf. Kein Wunder, dass der Sohn mit 15 Jahren in den Kibbuz ging. Erst dort wuchs er zu einem starken Mann heran. Seine Mutter nahm sich mit 38 Jahren das Leben, sie ertrug es nicht mehr?
50 Jahre danach versucht Amos Oz, seine Geschichte und die seiner Eltern und ihrer Eltern nachzuerzählen. Er tut es nicht chronologisch, er erzählt Episoden, Begebenheiten, die ihm haften geblieben sind, er schafft wie in einem Film aus vielen Bildern ein vollständiges Panorama, er malt vielfarbig die Familienmitglieder, die seine Welt bevölkerten, und die nie, niemals langweilig waren, eher skurril und fast immer stark (bis auf seine Eltern). Diese Flüchtlinge, die vor den Nazis nach Israel strömten, sich mischten und versuchten, der Wüste einen Staat abzutrotzen, eine Heimat für sich und ihre Nachkommen zu schaffen, die mussten stark sein oder zerbrechen.

Wenn man nach 50 Jahren zurückblickt, hat man ein Leben gelebt und Vergangenes reflektiert, man hat es verarbeitet und ist ein Leben lang entfernt von dem Kind, das man einmal war, von der Mutter, die sehr geliebt wurde und freiwillig in den Tod ging, worüber man 50 Jahre lang geschwiegen hat. So sind die bewegendsten Kapitel dieses Buches auch die, in der Oz seine Mutter zu finden versucht.
Aber - und das ist nicht anders möglich - es entsteht auch die Geschichte des Staates Israel in allen Höhen und Tiefen und der immer noch aktuellen Not. Amos Oz hat keine Biographie geschrieben und nicht seine Memoiren, oder alles zusammen. Es ist ein Roman geworden wie ein Gemälde - oder, wie ich ganz selten sage - ein Buch, das wie besonders guter alter Kognak ist, den man nur schlückchenweise trinken, weil genießen will, immer mal wieder und möglichst lange.

Amos Oz:
Eine Geschichte von Liebe und Finsternis,
Suhrkamp,
August 2004,
gebundene Ausgabe,
764 S.,
26,80 €.

Mittwoch, 05.01.2011

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