Lewinsky, Charles: Gerron

kultur 81 – Dezember 2011

Ein wunderbares, tieftrauriges, kluges, berührendes Buch.
Gerron ist Jude, kam mit 17 nach Notabitur in den deutsch-französischen Grabenkrieg.
Einen Tag vor seinem 18. Geburtstag zerstört eine Granate seine Männlichkeit, noch ehe er wirklich zum Mann wurde. Er wird immer Theater spielen, den großen Frauenheld!
Er wird ein berühmter Ufa-Star, Schauspieler, Kabarettist, Sänger, aber vor allem Regisseur. Er ist ein Träumer, ein Phantast, ein Künstler, auch ein bisschen ein Versager, und er ist ein Jude. Er landet im KZ Theresienstadt, auf dem Wege nach Auschwitz.
Dort soll er einen Film drehen für das Rote Kreuz, einen Propagandafilm „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt – THERESIENSTADT.“ Er weiß, wenn er ablehnt, kommt er sofort auf die Liste für den nächsten Transport, wenn nicht, wird er sich nie mehr in die Augen sehen können. Auch seine Frau Olga, klug und praktisch, wird betroffen sein. Sie ist ehrlicher als er, sie weiß, er muss und er wird den Film drehen. Er hat drei Tage Bedenkzeit und in diesen drei Tagen reflektiert er sein Leben, erzählt seine Geschichte und die seiner Eltern, träumt er, hofft er, lacht und weint er und weiß doch, dass er gar keine Wahl hat.
Er wird den Film nicht zu Ende bringen dürfen, es ist das Jahr 1944, und sein und Olgas Weg führt unerbittlich in die Gaskammern von Auschwitz, wo beide am 30. Oktober ermordet wurden. Er war 47 Jahre alt, sein Film wurde von einem Tschechen fertiggestellt, sein Name nie genannt.
So war es, so schließt des Buch. Lewinsky schreibt, als wäre er Kurt Gerson, genannt Gerron, hochgestiegen und tiefgefallen, klug und naiv, berühmt, eitel und selbstbewusst, aber immer auch sensibel, verzweifelt und hoffnungslos. Ein großes Buch über einen Mann, der so menschlich war wie wir alle, wenn wir ehrlich sind...


Gerron
von Charles Lewinsky
Nagel & Kimche
(Hanser), 8/2011
544 Seiten, gebunden,
24,90 €

Donnerstag, 11.10.2012

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