Hein, Christoph: Frau Paula Trousseau

kultur Nr. 44 - Februar 2008

Wie werden wir, was wir sind?
Paula Trousseau will Malerin werden, sie will unbedingt auf die Hochschule gehen in Berlin, sie besteht die Aufnahmeprüfung und verschiebt dafür ihre Hochzeit. Hans, ihr Zukünftiger, 13 Jahre älter (sie ist 19), wohlsituiert und geschieden, macht das zwar mit, sorgt aber durch Manipulation ihrer Antibabypille dafür, dass sie schwanger wird. Sie fühlt sich vergewaltigt und will das Kind nicht, entscheidet sich aber dafür, als sie erfährt, dass sie auch als Hochschwangere studieren kann.
Natürlich scheitert die Ehe, bei der Scheidung wird das Kind (eine Tochter, drei Jahre alt), dem Vater zugesprochen und hasst die Mutter ihr Leben lang. Als sie sie einmal wieder sieht, sie ist zwanzig Jahre alt, siezt sie sie.
Paula beendet ihr Studium, geht diverse Beziehungen ein mit Männern und Frauen, ist aber unfähig, wirklich zu lieben oder sich dauerhaft zu binden.
Ein Sohn, den sie zur Welt bringt, ohne dem eher zufälligen Erzeuger etwas zu sagen, wird ihre wichtigste Bezugsperson. Sie lebt total abgeschieden auf dem Lande und verliert ihn, als er erwachsen wird, an die Stadt und das Leben – sein Leben.
Wie wird man, was man ist? Durch Erziehung, Vorbild, Umstände? Der Vater ist ein Tyrann, die Mutter schwach und alkoholkrank. Im Hintergrund, doch total unaufdringlich, spielt die DDR (k)eine Rolle, Politik interessiert scheinbar keinen.
Paula fährt, als sie etwa 50 ist, nach Frankreich und bringt sich um. Das Buch beginnt mit ihrem Tod und erzählt rückblickend ihr Leben. Man schwankt als Leser immer zwischen Sympathie und Ablehnung für die Hauptperson, die schön ist und die Männer anzieht, auch empfänglich für die Liebe der Frauen ist, aber vollkommen unfähig ist, sich auf andere einzulassen und nur sich und ihre Kunst sieht. Ihre Bilder sind ohne Menschen und immer düster grau/schwarz. Ihr Hauptwerk, eine Komposition ganz in Weiß, versteht nur sie allein und sie zeigt es schließlich keinem.
Ich las das Buch mit ambivalenten Gefühlen für die Frau und großem Respekt für den Autor, der sie so einfühlsam beschreibt, dass man kaum glauben mag, dass er ein Mann ist und sie erfunden hat, die Malerin Paula Trousseau, die – warum – so wurde, wie sie ist.

Frau Paula Trousseau
- Roman von Christoph Hein,
Suhrkamp, März 2007,
440 S.,
gebunden,
22,80 €.

Mittwoch, 05.01.2011

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