Bennett, Alan: Die souveräne Leserin

kultur Nr. 52 - 12/2008

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine kleine fahrbare Bücherei, und in diesem Wagen erscheint eines Tages die Queen. Zugegeben, Sie parkten in einem Hinterhof des Buckingham-Palastes. Die Hunde waren schuld, und ihre Majestät ist viel zu höflich, um sich nicht für ihr unartiges Benehmen entschuldigen zu wollen. Und einmal im Bücherwagen, gebietet es eben diese Höflichkeit, auch ein Buch auszuleihen, das wiederum zurück gebracht und natürlich erstmal gelesen werden muss. So beginnt ein Kreislauf. Ein Kreislauf? Es beginnt ein unabsehbarer Weg, der vieles verändert, was allzu festgefahren scheint im täglichen Geschehen der Monarchie. Die Queen wird eine Leseratte par excellence, sie liest immer und – was viel schlimmer ist – sie fragt plötzlich jedermann, welches Buch er oder sie zuletzt gelesen habe... und ob er oder sie diese kenne und jenen Schriftsteller? Ach, und wie schade, dass sie diese Dame oder jenen Herrn, den sie im Laufe der 50 Jahre ihrer Regierung getroffen oder sogar geadelt hat, nicht seinerzeit schon gelesen hatte...
Der Queen, die doch alle Länder dieser Welt bereist und beinahe alle Großen ihrer Zeit kennen gelernt hat, erschließen sich ungeahnte neue Welten, sie verändert sich, sie wird sogar ein bisschen unpünktlich und verwirrt zunehmend alle um sie herum, vorab ihren Gemahl oder den Staatsbesucher, der neuerlich nach Autoren seines Landes gefragt wird, von denen er noch nie etwas gehört, geschweige denn gelesen hat.
Dieses kleine, nur knapp hundert Seiten umfassende Bändchen ist ebenso eine Liebeserklärung an die englische Königin wie an die Welt der Bücher, es amüsiert mit dem typisch britischen hintergründigen Humor und macht nachdenklich, weil es ja vielleicht ansteckend sein könnte, wer weiß...

Die souveräne Leserin
von Alan Bennett,
Wagenbach-Verlag,
August 2008,
120 Seiten, gebunden,
14,90 €.

Mittwoch, 05.01.2011

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